Wenn die Decke die Welle macht …

… und der Steg kippt, hilft manchmal nur der Bridgetruss.

Derartige Effekte können bei auch bei hochwertigeren Gitarren auftreten. Bei (vor allem älteren) 12-Saitern mit einer vergleichsweise dünnen Decke bildet sich immer wieder mal so ein `Berg und Tal´-Syndrom aus; bei einer Yamaha FG 560-12 war ich zum ersten Mal mit genau diesem konfrontiert, zudem begann sich der Steg zu lösen. Es gibt Hersteller, die relativ dünne Decken verwendet haben. Nach diversen Jahren kann sich auch da schon mal eine Decke wölben …

Auch 6-saitige Gitarren mit einer dünnen Decke neigen mitunter dazu, die Welle zu machen. Ist die Welle zu stark ausgeprägt, hat das Folgen für die gesamte Statik der Gitarre! Der nach vorne gezogene Steg erhöht die Saitenlage über die gesamte Mensur hinweg. Gleichzeitig wird die Mensur um einige Milimeter verkürzt, was sich wiederum auf die Bund- und Oktavreinheit auswirkt.

Die Auswirkungen auf den Hals lassen sich ebenfalls erkennen, wenn ein Steg zu sehr nach vorne kippt – die Saitenlage ist über die gesamte Mensur hinweg eigentümlich hoch. Die Belastung auf den Steg verändert sich ebenfalls, da er nun mehr und mehr auch nach oben gezogen wird. Wie man sieht, kommt da Einiges zusammen! Ich habe mehrere Fotos gemacht, auf denen man die Wölbung auch anhand der Lichtreflektionen im Lack gut erkennen kann, obwohl bei der 6-Saitigen die Saitenspannung jetzt gelockert ist. Auf den letzten drei Fotos zeigt sich das ganze Ausmaß dann im Verhältnis vom Steg zum Hals.

Als unvermeidliche Folge erhöht sich die Saitenlage enorm – 6 mm und mehr am 12. Bund sind nicht ungewöhnlich.

Auch hochwertigere Gitarren sind nicht davor gefeit. Eine ca. 12 Jahre alte Martin OM40K (Mark Knopfler Signature) wartet nebenan im Koffer auf die Reperatur (Fotos folgen). Hier lässt sich das Problem mit einem sog. Bridgetruss beheben. Das ist eine Art Hebel, der im Inneren unterhalb des Steges angebracht und am Endklotz abgestützt und mit dessen Hilfe die Decke wieder begradigt wird. Zudem leitet der Bridgetruss einen Teil des Saitenzugs aus der Decke in den Endklotz und die Zarge ab. Die Befürchtung, der Bridgetruss würde den Klang beeinträchtigen, ist nicht nur nach meiner Erfahrung unbegründet, eher im Gegenteil. Nach dem Einbau klangen die Gitarren fokussierter & direkter.

Je dünner die Decke, umso sinnvoller ist ein Einbau. Durch die Wölbungen und Verwindungen (s.o.) nach oben und unten wird die ursprünglich plane Decke unter Spannung gesetzt, was die Schwingungsfähigkeit und die Schallausbreitung beeinträchtigt. Nach der Begradigung kann sie freier schwingen und die Töne erhalten prionzipiell mehr Sustain und feinere Obertöne. Folglich lasse ich nach dem Einbau erst einmal den Tonrite eine ganze Zeit einwirken, damit sich mögliche Verspannungen lösen und die Decke wieder frei- bzw. einschwingt.

Der versierte Gitarrist und Autor Paul Balmer (Paul Balmer, The Acoustic Guitar Manual; deutscher Titel: Acoustic Guitar – Mythos & Technik) machte ähnliche Erfahrungen. Der amerikanische Gitarrenbauer Kim Breedlove baut in seine Concert-Body-Gitarren seit einiger Zeit serienmäßig einen Bridgetruss ein, was ihm eine wesentlich dünnere Deckenkonstruktion mit einem schlankeren Bracing ermöglicht.

Nicht jede Welle entwickelt sich zu einem Tsunami, aber die Folgen können trotzdem dramatisch sein. Eine verzogene Decke verändert die gesamte Statik.