Pflegeplanung und Rehabilitation

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In der Regel unterziehe ich alle Gitarren einer Basis-Prozedur und anschließend weiterführenden Maßnahmen, dem sog. Upgrade. Fast immer geht Beides ineinander über. Das Basis-Pflegepaket ist schon recht umfassend, da ich bestimmte Ansprüche auch an günstige Gitarren stelle, und ein Upgrade ist generell die Aufwertung der Performance.

Je nach Jahreszeit, Zustand und Konstruktion kommt ein Humidifier (Befeuchter) ins Schalloch, damit die Decke wieder eine Wölbung annimmt. Ich habe einen ganzen Satz von Humidifiern, die turnusmässig durch meine Gitarrenansammlung ziehen, um Rissen im Holz vorzubeugen, wenn im Winter die Luftfeuchtigkeit nicht selten auf unter 20% sinkt! Zu diesem Thema hat Bob Taylor, Taylorguitars™  auf einer bekannten Plattform zwei interessante Videos veröffentlicht (Humidity: The Solution Pt. 1 & 2), auf denen er sehr anschaulich die Wirkung eines Humidifiers bei einer gerissenen Decke demonstriert

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Griffbrett-Behandlung: gründliche Reinigung mit dem fettigen, stinkenden Gorgomyte® -Tuch (entwickelt von Jimmy Johnson, einem der guitar-techVeteranen, ich muss bei dem Namen trotzdem immer an kleine, sprechende Fantasy-Puppen denken) und anschließend sorgfältiges, porentiefes Abreiben der Holzstruktur; je nach Zustand ein oder mehrmaliges Behandeln mit Zitronenöl; am Ende fühlt sich die Oberfläche, je nach Struktur, wunderbar glatt und geschmeidig an.

Generell verwende ich nichts Anderes, erst recht keine Stahlwolle und kein Mittel, bei dem die mögliche Gefahr besteht, dass es verharzt oder sich Reste in die Struktur setzen.

Wenn Griffbretter allerdings so aussehen, wie die folgenden, wird das, was auch immer sich da d’rauf befindet, erstmal mit einem warmen, feuchten Frotteetuch angelöst. Andernfalls bleiben Reste in der Griffbrettoberfläche zurück, und das ist ja nicht Sinn und Zweck der ganzen Aktion.

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Oben: das muss Schmier & Dreck von gleich mehreren Generationen sein                                  

Unten: augedörrtes Griffbrett vor- und nachher – trotz der unterschiedlichen Belichtung sieht man den Unterschied deutlich

Glätten der Stegoberfläche und -kanten; bis zu einer bestimmten Preisklasse werden die Stegrohlinge einfach nur ausgesägt, gehobelt und dann aufgeleimt, folglich sind sie meistens rauh, grobstrukturiert und die Kanten & Ecken sind ’scharf‘; viele wurden zudem vom Vorbesitzer beim Saitenwechsel malträtiert; es steckt auch schon mal der Rest eines Saitenpins in der dunklen Tiefe; anschließend: siehe Griffbrettbehandlung

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Nacharbeiten und Anphasen der Steglöcher mit einem „Senker“, da sie häufig ‚ausgefranst‘ sind; die Saitenpins lassen sich nun besser greifen und heraushebeln …und alles sieht viel sauberer aus!

Einarbeiten von sog. „Stringramps“; dadurch reißen die Saiten nicht wieder ins Holz und der Druck bzw. Zug auf die Stegeinlage wird erhöht, was vor allem dann notwendig ist, wenn die Stegeinlage sehr niedrig ausfällt und der Winkel zu den Saitenenden zu flach würde oder der Halswinkel nicht (mehr) optimal ist

Es gibt noch einen zweiten Effekt. Durch die Stringramps werden die Saiten nicht nur nach oben, sondern auch schräg nach vorne gezogen. Somit verringert sich der Druck von unten auf die Saitenpins, die Gefahr des Verkeilens wird gemindert

Verrunden des Schalloch-Randes, der bei laminierten, aber auch massiven, Decken oft nur einfach ausgesägt wurde, unschön aussieht und sich genauso anfühlt; anschließend wieder mit Lack verschließen

Entgraten und Verrunden scharfer Bund-Enden: bei den meisten Gitarren unterhalb der 500 Euro-Marke, aber auch noch deutlich darüber, sind diese schlicht nur abgeschnitten und unsauber abgekantet; fühlt sich auch entsprechend an, wenn man beim Spielen am Hals entlang fährt, bei manchen Gitarren kann man sich gleich den Nagelknippser sparen …

Bünde verunstaltet

Abrichten der Bundstäbchen: Entfernen von Kerben & Angleichen der Bundhöhe über das gesamte Griffbrett; bei den meisten gebrauchten Gitarren, aber auch neuen unterhalb der 500-600 €-Marke ist das nach meiner Erfahrung sinnvoll, um eine optimale Saitenlage zu erreichen – und erst recht bei so stümperhaften `Arbeiten´ wie oben, bei der offensichtlich ein kein Klotz mit entsprechendem Radius verwendet wurde …

Bei flacheren Bundstäbchen wirkt sich außerdem der Druck durch die Greifhand weniger stark auf die Saitenspannung und die dadurch bedingte Schwankung der Töne aus, erleichtert dass Sliden über die verschiedenen Lagen hinweg; erfordert ab einem gewissen Punkt allerdings einen stärkeren & präziseren Fingerdruck.

 

ist ein Abrichten nicht notwendig, werden die Bundstäbchen bis `runter auf das Griffbrett sorgfältig von allen Belägen gereinigt; wie man unten sehen kann, artet das mitunter richtig in Arbeit aus

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Hinterher sieht’s dann so aus …

 

 Polieren der Bünde mit Schleifpads ab 1200er Körnung aufwärts, allerdings nicht mit Stahlwolle; macht echt was her, die Bünde blinken nur so; erleichtert das Saitenziehen (benden) und erschwert neuerliches `Erblinden´

Saitenlage nach und nach optimieren; bei so einem Gitarren-Projekt habe ich i.d.R. nicht den direkten, sondern nur den vorher-nachher Vergleich, aber wie der Psychologe so schön sagt: das Ganze ist mehr, als nur die Summe seiner Teile

die Halskrümmung korrigieren; die meisten Hälse sind mit vermeintlicher Sachkenntnis so weit `begradigt´ worden, dass die E- und A-Saiten schon fast beim Hinsehen auf die Bundstäbchen schlagen und schnarren; darüber hinaus ist bei diesen `Verbesserungen´ die Oktavreinheit neben der Spur, da die Länge der Mensur verändert wird

Grundsätzlich lautet die Reihenfolge: Halskrümmung einstellen – Stegeinlage dimensionieren und anpassen (String-Action) – Sattel anpassen & einkerben – Kompensation der Stegeinlage

Sattel und Stegeinlage aus Plastik gegen hochwertigere Materialien austauschen, i.d.R. Rinderknochen mit Fettgehalt; da vorkompensierte Stegeinlagen eher selten zur gewünschten Oktavreinheit führen, wird ein Knochenrohling entsprechend angepasst; selbst bei einer sog. ‚No Name-Gitarre‘ hat die neue Stegeinlage tatsächlich(!) eine hörbare Klang-Verbesserung gebracht; ohnehin sind die von mir entnommenen, alten Sättel und Stegeinlagen meistens nicht mehr zu gebrauchen; sie dienen nur noch als Anhaltspunkt für die Dimensionierung der neuen und wandern danach in die `Trophäensammlung´

Plastikpins gegen schwarze oder braune Palisander- bzw. Ebenholzpins austauschen; neuerdings sind die Pins untereinander nach der Farbe der Abalone-Dots selektiert und ich kann die einsetzen, die farblich zum Instrument passen

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What the doctor ordered …

vor dem Einsetzen öffne ich die Steglöcher mit einer konischen Reibahle, da Holzpins einen etwas größeren Querschnitt haben; nicht alle Holzpins sind exakt gleich, daher werden jeder Pin und jedes Stegloch aufeinander angepasst; anschließend erhalten die Pins in aufsteigender Reihenfolge kleine Markierungen, damit sie nicht vertauscht werden und unterschiedlich hoch herausstehen

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da Steglöcher i.d.R. maschinell gebohrt werden, findet man selbst beim großen Hersteller mit dem „Y“ Löcher, die nicht rechtwinklig, sondern `irgendwie´ in die Decke gebohrt wurden; zudem sind viele so eng, dass manche Besitzer die Pins in den Steg `prügeln´; der Spaß beginnt beim nächsten Saitenwechsel, vor allem, wenn die nächstgrößere Stärke d’rauf soll; die häufige Folge: an- oder abgebrochene Pins oder so’was wie unten, da ging erstmal nichts mehr …

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mit dem Einarbeiten der Stringramps bekommen die Pinlöcher, zum Schallochs hin, noch eine zusätzliche Nut, die auch dick umwickelten Saitenenden genug Freiraum lässt; die Pins können viel leichter eingesetzt und wieder herausgenommen werden

uralte oder defekte Mechaniken wieder schönmachen oder austauschen; in diesem Fall offene Reihenmechaniken eine Yamaha FG 140 (red label), die wieder schön blinken

wenn nötig, vernünftige Gurtpins montieren; ein großer Gotoh-Pin unten und ein kleinerer seitlich am Halsfuß

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wenn nötig, hässliche Lackrisse und tiefe Kratzer oder Macken ausbaden, glätten, nass schleifen und dann wieder mal polieren, polieren … eine sehr zeitaufwendige Arbeit !

abgeschabte Stellen, an denen das Holz durchkommt, wieder mit Lackschicht versehen; abgeplatzten Lack ausbessern und dann s.o.

soweit möglich, Hochglanzlack mit feinem, abrasivem Mittel polieren, bis man mit dem ’nackten Hintern runterrutschen‘ kann, dann Pflegemittel und Versiegelung drauf, mit weichem Microfasertuch schön nachpolieren; dann Finger weg und den Klang merken – oder gefälligst nur noch mit Samthandschuhen anfassen

 Mattlack auf der Decke, ggf. auch Boden und Zarge, auf Seidenglanz aufpolieren, damit glänzende Stellen wieder verschwinden und die Oberfläche möglichst einheitlich aussieht; gelingt je nach Zustand der Oberfläche nicht immer ganz so, wie ich es mir vorstelle

verkratzte Pickguards mit entsprechendem Mittel wieder auf `schön´ polieren; gelöste, vermackte, hässliche oder in der Farbe unpassende PGs austauschen; wenn sie generell die Optik stören, z.B. den Abalone-Ring am Schalloch verdecken; dann gegen ein angefertigtes aus Holz oder ein reversibles  & transparentes PG austauschen, oder ganz weglassen

Alte Pickguards aus Celluloid fangen (bedingt durch alle möglichen Umwelteinflüsse wie Licht, Luft, Handschweiss etc.) nach Jahren an zu schrumpfen, meistens zuerst an den Rändern (potatoe chipping)

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Ibanez AW 30: wie alle Artwood-Modelle schlichte Eleganz…

mitunter stelle ich Pickguards aus verschiedenen Furnieren her, wie Räuchereiche, Palisander, Rot-Zeder, Zebrano, Mahagoni, Bubinga usw.; zum einen stören mich die Plastikdinger mit ihrer dämpfenden Klebeschicht schon länger und ich bin der Meinung, an einem Holzinstrument sollte möglichst kein Plastik verbaut sein (nicht ohne Grund entferne ich alle sonstigen Plastikteile und ersetze sie durch wertigere Materialien) zum anderen macht ein edles Holz-Pickguard in dezentem Farbton oder mit schöner Oberflächenstruktur einen ziemlich ’schlanken Fuß‘; da es fest mit der Decke verleimt ist, schwingt es als Teil der Decke mit – soweit um das Schalloch herum Schwingungen möglich sind

  ein Pickguard aus Riegelahorn bekam die rote Tanglewood, die auch oben im Header abgebildet ist, eines aus Movingui wünschte sich der Besitzer der Blue Moon aus den `Annalen´

unten: Pickguard Prototypen aus Mahagoni, Zebrano, Rotzeder, Räuchereiche mit unterschiedlichen Innenradien

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 bei den Saiten verwende ich meistens meine ‚Werkstattsaiten‘ – Bronze/Phosphorbronze mit 0.11er Stärke eines bekannten Herstellers. Die neuen Besitzer sollen das Üben schließlich noch ertragen können. Ansonsten muss jeder ’seine‘ Saiten finden.

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Seit einiger Zeit setze ich bei jeder fertiggestellten Gitarre den Tonrite™ ein. Das ist ein Gerät, das über die Saiten Schwingungen verschiedener Frequenz und Intensität auf den gesamten Korpus überträgt. Generell bin ich allen Zaubermitteln und Voodoo gegenüber erstmal skeptisch eingestellt. Aber dann habe ich mir eines dieser Wundergeräte zugelegt, zumal bei mir nicht nur ein paar, sondern inzwischen eine ganze Armada von Westerngitarren vor Anker liegt. Das Ergebnis ist ist bei manchen Gitarren verblüffend – auf einmal ist ein Oberton- und Detailreichtum vorhanden, den ich vorher so nicht erwartet hätte. Das gilt auch für Gitarren, die mit ihrer laminierten Konstruktion für die Bühne konzipiert wurden.

Allerdings kann man den Einfluss des Tonrite™ nicht vorhersagen, er ist nicht bei jeder Gitarre gleich intensiv. Das Alter der Gitarre spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle. Entscheidend ist mehr, ob und wie sie in der Vergangenheit gespielt wurde. Neue Gitarren lassen sich auf ‚Betriebstemperatur‘ bringen und das erspart dem Besitzer eine längere Einspielzeit. Dafür hängt eine Gitarre bei mir mitunter aber auch 14 Tage und länger an dem Gerät; erst recht, wenn ich einen Bridgetruss montiert habe, da ist der Tonrite Pflicht.  Inzwischen habe ich noch ein zweiten Vibrator, um nebenher auch mal `Fremdgitarren´ in Aufregung zu versetzen. Für den normalen Hobby- oder Wohnzimmergitarristen lohnt sich eine Anschaffung m.E. nicht.

Wenn alle notwendigen Maßnahmen durchgeführt worden sind, gilt der Wahlspruch

Stimmt so…