5. Von Sammlerstücken, vintage-Gitarren und Unterwäsche …

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Wie ich schon an anderer Stelle erwähnt habe – nur weil ein Gitarrenmodell alt ist oder nur noch in geringen Stückzahlen überlebt hat, ist das kein „Sammlerstück“. Erstmal ist es nur alt … und möglicherweise entsprechend ramponiert.

Ich habe den dringenden Eindruck, dass in manchen Regionen vermehrt Flohmärkte abgefahren werden, um „Fundstücke“ aufzutreiben, die sich in unverändertem Zustand zu Geld machen lassen. Immer wieder treffe ich auf Anbieter, die irgendwo irgendwelche alten `Klampfen´ ausgraben und anscheinend versuchen, einen Nebenverdienst einzurichten. In manchen Kleinanzeigen und Auktionen werden gleich reihenweise alte A- und E-Gitarren offeriert, ohne weitere Kenntnis der Materie, aber mit recht verwegenen Behauptungen und auch absurden Preisvorstellungen. So dreschen deren Anbieter dann auch munter eine Phrase nach der anderen – Phrasendrescher eben. Am meisten verwundert macht mich aber, dass dieses ganze Theater immer wieder Käufer findet.


Im Klartext …

– „Gilt als Sammlerstück“ gilt nicht

– eine tatsächlich „sehr gesuchte“ Gitarre muss ich nicht extra als „sehr gesucht“ deklarieren

– „wird normalerweise bis zu ??? Euro gehandelt“: warum nicht auch jetzt, sind wir etwa auf einen Menschenfreund gestoßen, der UNS Geld `schenken´ möchte?

– „klingt und spielt sich sehr gut“ wenn sichtbar uralte Saiten aufgezogen sind, klingt vor allem lächerlich

– „hat Dings und Dongs wie es sich für eine gespielte Gitarre gehört“: man stelle sich einen vergleichbaren Slogan bei einem Gebrauchtwagenhändler vor!

– „Hat paar Spielspuren die ihr aber auch Charakter verleihen: siehe oben…

– eine Überschrift mit vielen Ausrufezeichen bedeutet, dass mich gerade jemand schriftlich anbrüllt !!!

– „made in Japan“ oder wo auch sonst, heißt erstmal nicht mehr als genau das und ist nicht automatisch ein Qualitätsmerkmal!


FG 140 Kopfplatte (1)

Aufrufe wie „Sammler aufgepasst!“ oder „Achtung Sammler!“ sind schon deswegen unsinnig, weil echte Sammler genau wissen, was sie sammeln und suchen! Zu Recht begehrte Stücke finden von ganz alleine ihre Interessenten.

Der Vintage-Faktor: den Begriff „Vintage“ kenne ich ebenfalls aus der Oldtimerszene und er bezeichnet ursprünglich klassische Vorkriegsmodelle, wird aber seit geraumer Zeit auch für klassische, hochwertige und mitunter horrend teure E-Gitarren-Oldtimer verwendet. Mittlerweile `altern´ namhafte Hersteller flatschneue E-Gitarren, damit sie aussehen, als hätte noch Pete Townshend sie auf der Bühne zerlegt und dann auf die Müllhalde geworfen. In Anlehnung an die sog. Rat-Bikes kann man dann noch drauf rumdengeln, sie ertränken und rosten lassen oder tote Ratten (daher der Name) mit ollem Draht dran binden. Geschmacksache, aber …

…will ich eine runtergewirtschaftete Gitarre lukrativ verbimmeln, bezeichne ich meine Rat-Guitar mal eben als vintage oder vintage-mäßig. Andere haben den Vintage-Faktor oder Vintage-Flair und werden quasi zum Kultobjekt erhoben. Für vermeintliche, legendäre `Vintage´-Sammlerstücke zahlen manche Leute dann auch Preise, die deutlich über dem tatsächlichen Wert des Instrumentes oder auch über dem ursprünglichen Neupreis liegen – Hauptsache haben (wohlgemerkt, ich spreche hier nicht über mehrere-tausend-Euro-werte Gitarrenraritäten!). Selbst wenn das Gerät tatsächlich 30 oder 40 Jahre alt ist, zunächst sagt das absolut nichts über Qualität und Wertigkeit aus.

Es gibt in solchen Fällen nur eine(!) Option, nämlich recherchieren und selbst schlau machen. Das kann manchmal dauern, weil man sich durch eine ganze Reihe Websites und Kommentare in diversen Foren arbeiten muss, bis man genügend Informationen gesammelt hat, um sich selbst ein Urteil zu bilden. Hin und wieder findet man Seiten von Leuten, die sich schon lange mit der Materie befassen und auf deren Aussage Verlass ist. Aber selbst das ist oft nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Also Zeit und Energie investieren, ansonsten – Finger weg !!!

Das schöne Wort vintage wird ebenso inflationär wie gedankenlos verwendet – Hauptsache irgendwas schreiben. Ich sehe immer mehr Gitarren, die in den 70ern und Anfang der 80er gerade mal 150 bis 250/300 DM gekostet haben und nun im Nachhinein als eine Art Klangwunder aus „…der goldenen Zeit des japanischen Gitarrenbaus…“  beschrieben werden. Hauptsache gut verkaufen.

Damals war es eine Reihe von, überwiegend japanischen, Herstellern, die u.a. billige Massenware auf den Markt warfen, weil Zeitgeist und musikalische Aufbruchsstimmung gute Umsätze versprachen. Entsprechend wurden diese Gitarren optisch zurecht gemacht. Die klanglichen Vorzüge lassen sich mit einem Wort umschreiben: Lagerfeuer!

Dieses Prinzip ging auch auf deutsch und so entstanden ein bißchen eigenes Design und jede Menge Klone. Ein süddeutscher Hersteller baute im Grunde gute und solide Instrumente, vor allem Archtops seit den 50ern. Bei einigen der späteren Westernserien unternahm er dafür alles mögliche, um einer vernünftigen Klangentwicklung gleich wieder die Grundlage zu entziehen. Der Hals mancher Modelle bestand aus einem dichten Mehrfachlaminat, das sehr stabil, aber auch Schwingungs-hemmend angelegt war. Die Hölzer waren eher mittelmäßig, die Decken laminiert, die Schallöcher schlicht ausgesägt. Die Gitarren erhielten Beschläge aus poliertem Edelstahlblech, als wären sie Westernsättel und überdimensionierte, dicke Pickguards wurden auf die Decke geschraubt. Der Steg wurde mit protzigen Kopfschrauben versehen, der Hals an den Korpus geschraubt. Vollkommener Unfug aber war die Stegeinlage – eine in der Höhe mit Hilfe dicker Schrauben verstellbare Metallschiene, deren Kontakt zur Decke nur marginal war. Im Inneren der Alu- oder Stahlschiene befand sich dann auch noch eine Saitenauflage aus Weichplastik! Siehe auch hier 7. Der verstellbare Steg …

Völlig egal, wie aufwendig und bunt eine Gitarre gestaltet wurde – diese unseriösen Teile wurden in erster Linie in günstige bis billige Vollaminatgitarren eingebaut und hatten wohl vor allem die Funktion, einen unpräzisen Halswinkel auszugleichen. Andernfalls wäre der Verstellapparat ja nicht notwendig gewesen. Möglicherweise mussten sich manche Produzenten in der „goldenen Zeit des japanischen Gitarrenbaus“ zunächst das entsprechende Know-How aneignen und ausreichend Erfahrungen in der Massenproduktion sammeln, bis man auf Verstellapparate verzichten konnte. 

Wie gesagt, es war der Zeitgeist. Damals war das Gefühl, eine „Westerngitarre“ in der Hand zu halten und von John Denver über America bis Cat Stevens alles mögliche am Lagerfeuer zu singen, die Motivation. Was interessierten schon solche Nebensächlichkeiten, von denen ohnehin kaum einer wusste. Auch ich besaß Ende der Schulzeit ein verstellbares Hummingbird-Imitat von Klira, mit dem ich mich auf dem Campingplatz an der französichen Atlantikküste wie ein König fühlte. Ich habe sie später mit den Saiten weitergegeben, die d‘rauf waren, als ich sie bekam.

Das anscheinend nicht wenige dieser Geräte überlebt haben, ändert nichts an dem, was sie meistens sind – Billigklampfen – und das wertvollste daran ist nach meiner Erfahrung die Erinnerung an die schöne, unbeschwerte Zeit. Die wirklich hochwertigen Gitarren aus dieser Zeit werden eher selten verkauft, weil sie in der Tat einen gewissen Sammlerwert besitzen und die Besitzer sie ungern hergeben – und wenn doch, dann zu entsprechenden Preisen. Dasselbe gilt für die sog. „…gesuchten…“ Exemplare. Um tatsächlich beurteilen zu können, ob bestimmte Modelle von Interessenten regelrecht gesucht werden, muss man sich lange und intensiv damit befassen – es braucht viel Recherche, Wissen und Erfahrung.

Legendär“ ist das nächste Zauberwort, und wie ebenfalls die Erfahrung zeigt, werden bestimmte Fabrikate und Modelle alleine deswegen gesucht, weil man schließlich weiß, dass diese Fabrikate und Modelle etwas ganz Besonderes sind und man bei einem Kauf den Anderen um Längen voraus ist! Eine Legende ist wie ein Helden-Epos – eine Geschichte mit einem wahren Kern. Der wahre Kern liegt liegt schon eine ganze Zeit zurück, aber seitdem werden um ihn herum immer mehr Geschichten erzählt. Viele sind durch die Übermittler und Erzähler so ausgeschmückt, dass sie immer bunter und abenteuerlicher werden.


Original-Zitate:

„… Sie hat den typischen ??? soud – der nicht umsonst von vielen Musikern begehrt und gesucht ist! (Rare)…“. [schlichte Yamaha-Dreadnought aus den 80ern]

„…Ich habe mir sagen lassen, dass diese Gitarren teilweise besser klingen, als ihre amerikanischen Vorbilder…“  [Sigma, mit Martin-Gitarren verglichen]

„Gitarren aus den 70ern sind natürlich seltene und teure Raritäten…“ [schlichte Vollaminat-Yamaha ohne weitere Angaben, aber mit abenteuerlicher Preisvorstellung]

„Das Original von Gibson ist meiner Meinung (und vieler anderer alten Musiker) nach nicht besser, weder von Klang noch von der Bespielbarkeit.“ [Hummingbird-Billigklon Ibanez Concord 684/6 ]

„In der Form, Verarbeitung und vor allem im Klang durchaus ebenbürtig zu einer Martin D 28-12 String…“ [Kiso Suzuki WT 100 – Vollaminat mit verstellbarem Steg]


Am Ende der langen Schlange von Geschichtenerzählern stehen Leute, die mal Einen kannten, der Einen kannte, der Einen kannte, der mal dabei gewesen sein soll, als jemand die XY-Gitarre hätte gespielt haben können. Das bedeutet legendär im eigentlichen Sinne – viele Leute reden über eine Sache, von der sie eigentlich nichts wirklich wissen …

Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss…

Wie oft die Besitzer aber auch gar nichts über ihr Instrument wissen, sieht man an den vielen Annoncen, in denen sinngemäß steht „Schöne Westerngitarre, guter Zustand, Versand möglich, 120 Euro“. Dazu eine Handyfoto, mal eben nebenbei geschossen. Modellbezeichnung, Beschreibung, Detailfotos – Fehlanzeige!

Nicht selten inserieren die in Unkenntnis verharrenden Besitzer einer gesucht-aberschwerzufinden-legendären-echtvintage-Rarität eine entsprechend alte Gitarre – ungeachtet der Konstruktion oder der verwendeten Hölzer – mit undeutlichen Fotos ohne Aussagewert und ohne handfeste, sachliche Beschreibung des Zustandes, aber dafür mit einer astronomisch hohen Preisvorstellung. Eine alte, schlichte Vollaminat-Yamaha (wieder einmal) mit ebenso schlichten Mechaniken wurde ohne Modellbezeichnung in eine Auktion gestellt, Startpreis 200,- Euro. Die Beschreibung enthielt 3 nichtssagende Fotos und den Hinweis, ein Gitarrenladen hätte dafür 350,- Euro geboten, weil sie aus den 70ern stamme „…daher auch das Sofortkaufangebot über 400(!) Euro.“

Wäre dies zutreffend, war der Anbieter schön blöd, weil er dieses Angebot nicht auf der Stelle angenommen hat! Ohne die genaue Modellbezeichnung zu erkennen, reichte ein Blick auf die Mechaniken, um relativ sicher festzustellen, dass schon das Startgebot den ursprünglichen Kaufpreis übersteigt. Da wollte vermutlich wieder jemand ohne große Anstrengung Geld machen und hat einfach mal `was zusammen konstruiert! Ich nenne das die „Ebay-Mentalität“ –  etwas (billig) finden und ohne eigenes Zutun richtig Reibach machen.

Auf gar keinen Fall von solcher Schönfärberei blenden lassen!

Zu einem vernünftigen Angebot gehört eine Fotostrecke, die kritische Detailbereiche aus der Nähe zeigen, wie Lackoberfläche, Kratzer & Dellen, Mechaniken, Steg, Saitenpins, Schallochrand, Decke, Zarge & Boden, Bundstäbchen, Griffbrett sowie ein sachlicher und aussagefähiger(!) Text. Seriöse Anbieter geben sich Mühe! Sie verbergen und verschweigen nichts – und dichten auch nichts hinzu!

Präsentation und Zubehör

Totalansichten einer Gitarre, die dekorativ im Wohnzimmer steht oder liegt, helfen mir persönlich nicht weiter. Das Bild einer angeblich gut erhaltenen, kaum bespielten, schwarzen Schönheit mit `üblichen´ Gebrauchsspuren zwischen Kleiderhaufen, einem ungemachten Bett, Unterwäsche auf dem Fernseher (kein Scherz!) oder in einer Rumpelkammer zwischen Sperrmüll, ermöglicht aber sehr wohl Rückschlüsse auf den mentalen Zustand des aktuellen Besitzers.

Künstlich hochgesetzten Kaufpreisen – gerne wird anstelle des Marktpreises der UVP oder angebliche Normalpreis angegeben, die beide deutlich darüber liegen – kann man begegnen, indem man wieder mal recherchiert und den gängigen Marktpreis in Erfahrung bringt. Und noch etwas – manchmal ist es sinnvoller eine Gitarre neu zu kaufen, wenn der Preisunterschied zur Gebrauchten nur ein paar Euro beträgt. Selbst wenn die Gitarre nur ein paar Mal in die Hand genommen wurde, bei einem Neukauf habt Ihr 3 Jahre Garantie. Interessiert Ihr Euch für ein Modell, dass nicht mehr hergestellt wird, dauert die Suche vielleicht ein bißchen länger. Meistens lässt sich ein Hinweis finden, der Aufschluss über den ursprünglichen Kaufpreis gibt.

Beliebtes Zubehör aus den Rundum-Sorglos-Paketen, den sog. Jam-Packs, halte ich für nebensächlich. Billige Taschen, Gurte, Plektren (Einzahl: Plektrum[lat.]) und Kirmes-Tröten bekommt man jederzeit und überall, über die Notwendigkeit einer 08/15-Liedersammlung und einer Karaoke-CD möchte ich mir erst gar keine Gedanken machen. Interessant wird es bei einem vernünftig gefütterten Gigbag oder einem stabilen Koffer und den gibt’s erst ab einer bestimmten Größenordnung. Handelt es sich um einen Privatverkauf, müssen wir halt sehen, ob das Zubehör auch für uns den Kaufpreis rechtfertigt, also …

… Augen auf beim Kauf!

Nächstes Kapitel: Massiv hui – laminiert pfui ?