6. Massiv hui – laminiert pfui, oder …

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… watt nix kost, is auch nix wert?

Stimmt – vor allem, wenn es um sog. „Qualitätsgitarren“ für 49,95 aus welchem Kaufhaus, Elektronikversand oder Onlineshop auch immer geht. Auch auf viele Großhandelsprodukte mit Phantasienamen mag das zutreffen. Davon spreche ich nicht! Eine Gitarre „…auch für Profiansprüche…“ für 50 bis 100 Euro anzubieten, halte ich für groben Unfug! Dasselbe gilt für Exemplare mit verstellbarer Saitenlage, davon lasse ich ohnehin konsequent die Finger. Ich halte einen verstellbaren Metallapparat an einer akustischen Gitarre für sowas von unseriös! Ebenso ist eine „hochwertige Gitarre mit Stimmgerät, Tasche, Gurt“ und ohne Versandkosten für 49 € so ziemlich alles, aber ganz bestimmt nicht hochwertig. Eine Premium-Pestosauce im Glas für 1,29 schmeckt trotz allem überwiegend sauer und wer für 4,99 einen guten Grappa erwartet, hat sich das anschließende Sodbrennen redlich verdient.

Hier geht es um Instrumente, die diese Bezeichnung auch verdienen. Die Preisspanne dafür beginnt meiner Meinung nach bei wenigstens 150,- und endet bei mehreren tausend Euro. In den obersten Preisregionen sind die Gitarren optisch und handwerklich regelrechte Kunstwerke. Nur – die Wenigsten können sich solche Kunstwerke leisten.

Nicht ohne Grund war der VW-Käfer Jahrzehnte lang das meistverkaufte Auto weltweit. Er gehörte nicht mal in die Nähe der Luxusklasse, war aber günstig, extrem zuverlässig und leicht zu handhaben. Das, was er perfekt konnte, war exakt das, wofür er gebaut wurde – fahren! Auch in den unteren Preissegmenten gibt es folglich jede Menge musikalische Erfüllung.

Günstige Einsteigergitarren werden i.d.R. mit „gesperrter“ Decke und Korpus hergestellt. Daher der Name Sperrholz, bei dem aus Gründen der Stabilität 3 dünne Furnierholzflächen mit versetzter Maserung unter hohem Druck aufeinander geleimt werden. Weil dieses Wort an die kindliche Bastelphase mit Laubsägearbeiten erinnert, wird lieber die Bezeichnung „laminiert“ bzw. „Laminat“, „laminierte Decke oder Korpus“ oder „Schichtholz“ (engl. Plywood) verwendet. Laminierte Gitarren, die vernünftig und sorgfältig produziert werden, haben mit den früheren Sperrholzbasteleien ebenso wenig zu tun, wie die Aquarellmalerei mit den Wassermalfarben aus der 3. Klasse. Das Prinzip ist dasselbe, aber der qualitative Unterschied ist enorm. Auch bei einer laminierten Gitarre ist die Qualität der Zutaten sowie die Sorgfalt beim Bau entscheidend.

Gemeinhin gilt die Annahme, dass eine massive Decke auf Dauer besseren Klang verspricht, als eine laminierte. Das ist vom Grundsatz her ebenso zutreffend, wie eine vollmassive Konstruktion mehr klangliche Feinheiten entwickelt als eine teilmassive – immer abhängig von der Qualität des Holzes natürlich. Wer an dieser Stelle nicht weiss, wie man laminierte und massive Decken auseinander halten kann, sieht mal » hier nach.

Das bedeutet nicht, dass laminierte Gitarren nicht `klingen´ können. Viele, für die Bühne entwickelte, Modelle sind aus Gründen der Stabilität (hohe Luftfeuchtigkeit im Veranstaltungsort, wechselhafte Witterung außerhalb) laminierte Konstruktionen. Sie sind mit Tonabnehmern ausgestattet und der Sound wird über die PA geregelt. Zum Einsatz kommen alle möglichen Holzarten, von Fichte & Mahagoni bis hin zum exotischen Koa oder Paduk. Der Einsatzzweck bestimmt die Auslegung, und egal in welcher Preisklasse – das Ohr muss entscheiden, welche Gitarre klanglich besser gefällt.

Ohnehin sind Gitarren erst ab einer bestimmten Preisklasse „vollmassiv“. Es gibt durchaus Anbieter mit einem guten Renomee, die bereits in der Klasse ab 300-400 € eine vollmassive Gitarre offerieren. Aber auch sie können eine gewisse Qualität nur mit entsprechendem Materialaufwand gewährleisten. Unter 600-800 € nach einer vollmassiven Gitarre zu suchen, macht meiner Meinung nach nicht wirklich Sinn.

Im Segment darunter findet man aber eine ganze Reihe von sehr gut klingenden Gitarren, die über eine massive Fichten- oder Zederndecke in Kombination mit einem laminierten Mahagoni- oder Palisanderkorpus verfügen. Der Wunsch nach ausgefallenen, aber weniger klassischen, Hölzern zeigt auch hier mittlerweile seine Wirkung, wie man an den ‚Exoticwood‘-Serien einiger Hersteller sehen kann. Darunter sind Marken mit sehr erfolgreichen Modellreihen – alle komplett laminiert!

Der unkontrollierte Raubbau und die Überbeanspruchung, z.B der Palisanderbestände, wird zwangsläufig heimische Hölzer mehr und mehr in den Vordergrund rücken. Inzwischen gibt es immer öfter kleine Manufakturen, die bereits Gitarren ausschließlich aus nationalen Holzbeständen herstellen und damit erfolgreich sind. Manche dieser Hölzer wie z.B. Riegelahorn sind für eine massive Bauweise gar nicht geeignet, produzieren aber trotzdem „Klang“.

Im Leonardo Guitar Research Project LGRP (http://www.leonardo-guitar-research.com/home) hat man sich zum Ziel gesetzt, die Möglichkeiten der Verwendung nicht-exotischer Hölzer im Gitarrenbau zu untersuchen, zu demonstrieren und in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Einige der dort angeschlossenen Gitarrenbauer haben ausnehmend schöne Instrumente gebaut!

Ein Wort noch zum Thema laminierte oder gesperrte Decke, aber nicht von mir, sondern von dem Blues-Gitarristen Gregor Hilden (der ganz nebenbei jede Menge alte und teure E-Gitarren aufbereitet, aber, wenn ich richtig hingesehen habe, nicht eine einzige mit dem Hinweis `vintage´ o.ä. verkauft). Dann habe auch ich wenigstens 1 Experten im Programm

„…Galt bislang durchaus zu Recht die Prämisse, dass zumindest die Decke einer Gitarre massiv sein müsste, so soll bereits an dieser Stelle mit einem Hinweis bezüglich dieses Mythos vorausgegriffen werden: Vor wenigen Jahren demonstrierte Bob Taylor (Taylor Guitars USA), dass er sehr wohl in der Lage ist, eine durchaus vernünftig klingende OM-Steelstring selbst aus billigstem Palettensperrholz zu bauen, womit er selbst Fachleute verblüffen konnte. So sind vor allem die Konstruktion und die Bauweise einer Gitarre im hohen Maße dafür verantwortlich, wie das Geschöpf denn später nun zu klingen vermag…“ (http://www.akustik-gitarre.com/Walden_Steelstring_WA-450_OM.245.0.html)

Solltet Ihr Euch für eine preiswerte bzw. günstige Gitarre entscheiden, könnt Ihr später immer noch mal ein gewisses Feintuning oder ein Upgrade vornehmen lassen – wenn es Sinn macht und sich nicht um irgendein übertriebenes Voodoo handelt.

Stimmt so …