1. „Früher waren die viel besser…“

Wenn nur noch Exorzismus hilft …  „Hiermit verkaufe ich meine langjährig besessene Akustik Gitarre.“


epi-headstock-8.jpg

Nicht totzukriegen! Binsenweisheiten und Gerüchte … 

Obwohl ich mich schon an verschiedenen Stellen zu den Begleitkommentaren und -beschreibungen bei Angeboten von Gitarren geäußert habe, mach‘ ich hier nochmal ein eigenes Fass auf. Bevor mir der liebe Gott nicht die nötige Gelassenheit im Umgang mit diesen Fundstücken verleiht, werde ich sie wohl nicht mit einem wissenden Lächeln übersehen können.

Immer wieder begegnen mir diese unausgegorenen Binsenweisheiten, so wie „…noch in Korea gefertigt…nicht so ein Billigmist aus China…aus den 90ern…nicht so schlechte Qualität wie die modernen Gitarren…Kenner wissen die Qualität der älteren Serie zu schätzen…ist also keine der heutigen Fernost-Xys, die fertigungstechnisch und klanglich weit darunter rangieren…“.

So? Dann werfen wir doch mal unser Auge z.B. in eine vor Jahren in dem erwähnten Korea entstandene Gitarre, eine Cort AW-11. Dieser Hersteller fertigte auch für andere, bekannte Marken und seine Gitarren haben ein seriöses Image. Ein Blick genügt, um zu erkennen: sauber verarbeitet ist etwas anderes! Unsauber gesägter Schallochrand, reichlich Farbspritzer und in Leim ertränkte Reifchen!

Verarbeitung Cort

Wie wär’s denn hiermit: eine Yamaha APX7. Dieses Modell des über alle Maßen verehrten Herstellers wird ebenfalls entsprechend gelobt und wurde sogar noch eine Station vor Korea, nämlich in den eigenen Werken in Taiwan, hergestellt.

Auch dem ungeübten Betrachter werden die Leimreste ins Auge fallen, die bei einer vernünftigen Fertigung erst gar nicht an derartigen Stellen auftauchen, oder eben nur dann, wenn schlampig gearbeitet wird. Gleiches gilt für die unsauber gesägten Reifchen, den Schallochrand und die Löcher für die Regler. Getreu der oben vertretenen `Philosophien´ müsste hier die Qualität noch sichtbar besser sein, als bei koreanischen Fabrikaten.

Epi Innen (3)Oder man beachte oben die klotzige `Verbalkung´ einer Japan-Epiphone FT 165-12, anscheinend gebaut für Erdbeben und die Ewigkeit … aber von filigranem Bracing meilenweit entfernt.

Das nächste Beispiel – eine der `alten´ und `legendären´ Japan-Yamahas, eine FG 180. Auch hier hatten die Handwerker offensichtlich mehr als genug Leim, wie man am Reifchen und dem Halsklotz sieht.

FG 180 innen

Ob „…original handcrafted…“ oder „…echte Wertarbeit…“ es wird viel Unfug mit Hilfe von gefühltem Halb- und Viertelwissen geschrieben. `Falsche´ Wertarbeit gibt’s ohnehin nicht, denn jede Arbeit, ist sie auch noch so schlicht, hat einen Wert. Über eine bekannte, aktuelle Marke (war früher mal ein Martin-Unterlabel für in Asien günstig hergestellte Gitarren, wurde 2007 eingestellt und später von einem deutschen Vertrieb wiederbelebt) schreibt ein wissender Anbieter: „…quasi eine Produktion von Hersteller Martin… mit den Billiggitarren…sonst made in China…nicht zu vergleichen…“.

Also, liebe Leute, man soll doch endlich mal die Palme auf der Insel lassen! Wir sprechen in dem Zusammenhang nicht über hochwertige Kleinserien von namhaften Instrumentenbauern oder der `High Society´ der Gitarrenhersteller. Wer mal z. B. eine  Stetson Style 2 von Larson® gespielt oder zumindest gehört hat, weiß tatsächlich, wie eine Gitarre klingen kann.

Es ist gar nicht notwendig, soviel Geld für eine Gitarre auszugeben, man kann mit viel weniger sehr gut zurechtkommen und zufrieden sein. Aber in den verschiedenen Preisklassen bis 500/600€ sind die allermeisten Gitarren von einer vergleichbaren Qualität. Das gilt auch und vor allem für die angeblichen japanischen Klangwunder aus den früheren Jahrzehnten. Trennen sollte man hier die nostalgische Begeisterung für diese alten Marken von der tatsächlichen Qualität der einzelnen Modelle. Vollaminate sind und bleiben Vollaminate. Und selbst teilmassive Kopien werden durch Legendenbildung nicht vergleichbar mit den vollmassiven, amerikanischen Vorbildern oder werden sogar noch besser als diese.

Mann muss also bitte nicht immer so ein Theater veranstalten.

Wer sich ernsthaft für eines dieser Japan-Modelle interessiert, sollte es auf jeden Fall persönlich in Augenschein nehmen und sich von der angeblichen Supergitarre in puncto Zustand (z.B. tiefe Mulden im Griffbrett) Handhabung (z.B. Trussrod noch verstellbar), Bespielbarkeit (z.B. Halskrümmung und -winkel) und Klang (uralte oder neue Saiten) selbst überzeugen – und mit ähnlichen, aktuellen Gitarren vergleichen, bevor sie oder er hunderte von Euro dafür ausgibt. Die subjektive Begeisterung des noch-Besitzers ist leider kein wertsteigerndes Merkmal.

Darüber hinaus und sowieso erhalten alle Gitarren den Zusatz `handcrafted´, sobald ein Mitarbeiter in der Produktion Hand an eines der Bauteile anlegt. Fast jeder größere Hersteller von Instrumenten hat eine Fertigungstraße und standardisierte Abläufe, ansonsten wären die Endpreise gar nicht zu realisieren. Durch und durch handgefertigt sind die richtig teuren Modelle oder die komplett in der Werkstatt entstandenen Exemplare der bekannten oder weniger bekannten Gitarrenbauer, und die haben ihren Preis, damals wie heute.

Die Holz-Mafia …

Ein ebenfalls regelmäßig auf’s Neue bemühter Hinweis widmet sich der angeblich viel besseren Holzqualität in den früheren Jahren. Untermauert wird dieses Argument gerne mal mit dem Verweis auf Holzarten, die seinerzeit noch keinen Umweltbeschränkungen unterlagen. Danach seien die Hersteller gezwungenermaßen auf `billigere´ Holzarten ausgewichen. Bei hochwertigen Gitarren mag das immer wieder mal zutreffen. So ist die Decke meiner TAMA TG in der Tat aus deutscher Alpenfichte hergestellt, und die steht seit geraumer Zeit unter Naturschutz.

Als grundsätzliches Argument trifft das m. E. n. überhaupt nicht zu! Eine über …zig Jahre gespielte Gitarre, die regelmäßig entsprechenden Schwingungen ausgesetzt war, hat neueren Modellen etwas Entscheidendes voraus – nämlich, dass sie über …zig Jahre gespielt wurde.

Im Großen und Ganzen war es so, dass Hersteller bei Massenproduktionen immer schon auf’s Geld geschaut haben, also auch das `Bauholz´ möglichst günstig einkauften. Schön wär’s gewesen, wenn sie alles nur zum Wohle der Käufer unternommen hätten. Aber das ökonomische Verständnis der japanischen Produzenten unterschied sich nicht wirklich von dem der unserigen und so lag ihnen das eigene Wohl logischerweise erheblich näher. In den 70er und 80er Jahren bestand in der `Consumer´-Klasse noch nicht wirklich die Notwendigkeit, auf der ganzen Welt nach den besten Hölzern zu suchen, die für Geld und gute Worte zu bekommen waren. Warum auch?

Man kann unschwer an einer Reihe von Modellen eines großen, japanischen Konzerns (der auch Motorräder und Hifi-Anlagen in seinem Repertoire führt) erkennen, welch grobgemasertes Deckenholz mitunter verwendet wurde. Für die unteren Chargen wird als Mahagoni-Ersatz seit Jahrzehnten das günstigere und optisch mehr als uninteressante Nato-Holz für Hals und Korpus eingesetzt.

Also, wie war das gleich nochmal mit der viel besseren Holzqualität … ?

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, war es nicht zuletzt die musikalische Entwicklung im Bereich Alternative-Rock und Singer/Songwriter, welche in den 90ern aufgrund deutlich gestiegener Nachfrage seitens der Konsumenten den Konkurrenzdruck und damit die Qualitätsansprüche befeuert haben. Bands aus der Seattle- und sog. Grungeszene traten bei MTV-Unplugged auf und verbreiteten ein neues, musikalisches Lebensgefühl. Und die Musiker hatten Gitarren, deren Sound die Mädchen und Jungs am Fernseher natürlich auch zu Hause haben wollten.

Man muss sich nur mal vor Augen führen, wieviele Einzel-Interpreten plötzlich kleinere Veranstaltungsorte buchten, nachdem die Singer/Songwriter-Szene in den 80ern vor sich hindümpelte, chancenlos angesichts all dem, was von Hairspray-Metal bis New Wave mit Lautstärke unterwegs war – von den Traditionsbands der ersten 20 Jahre ganz abgesehen. Wieviel Bands mit ungewohnten musikalischen Konzepten konnten gesehen und gehört werden, die auch Akustikgitarren mit auf die Bühne brachten? Eine ganze Reihe von denen habe ich interviewt, live gesehen und in meinen Sendungen vorgestellt. Und die vielen, teilweise enorm gewachsenen, Festivals alleine hierzulande zeugen ebenfalls davon. Das blieb natürlich nicht ohne Folgen.

Jede Plattenfirma war auf der Suche nach dem `Next Big Thing´, und nach und nach traten auch im Instrumentensektor Akteure auf den Plan, die noch keinen Namen und kein Renommee hatten. War die E-Gitarre bisher das Instrument für die – im weiteren Sinne – Rockbands, wollte nun ein größerer Bedarf an Akustikgitarren gedeckt werden und manche neuen Hersteller spezialisierten sich darauf.

Eine ebenso kostenlose wie erfolgreiche Marketingaktion kam von Eric Clapton. Schwer gezeichnet vom Tod seines 4-jährigen Sohnes entstand „Tears in Heaven„, dass 1992 auf seinem „Unplugged„-Album veröffentlicht wurde und nicht nur eine nachträgliche Welle des Mitgefühls auslöste. Ein weiterer Effekt war eine sprunghaft ansteigende Nachfrage für Akustikgitarren, weil `alle Welt´ die CD zu Hause hatte und vor allem dieses Stück nachspielen wollte. Ganz nebenbei entstand so auch bei Martin&Co® ein neues und gefragtes Modell, die Eric Clapton-Signature-OM.

Die neuen Hersteller mussten unterschiedliche Maßnahmen ergreifen, um sich gegenüber den etablierten Namen zu behaupten. Das ging über Optik, Ausstattung und Design und der Akustikmarkt wurde vielfältig wie nie zuvor. Da die musikbegeisterten Käufer immer mehr Modelle und Marken vergleichen konnten, war neben dem Preis ein weiteres Verkaufsargument die Qualität der Hölzer.

Die großen 3 amerikanischen Traditions-Hersteller (Gibson®, Martin&Co®, Guild®) im Akustiksektor verfügten über genügend und spezielle Alleinstellungsmerkmale und konnten von je her auf ihren Ruf bauen. Heute ist Taylor Guitars® die Nr. 4. Die allermeisten Gitarren dieser Marken waren (und sind es immer noch) für den Durchschnittskäufer ohnehin viel zu teuer (erfreuen sich aber als Statussymbol auch im Wohnzimmer einer wachsenden Beliebtheit), hatten aber das Image und das Renomee. So etwas färbte natürlich auch in die unteren Preisklassen ab. Zumindest im Groben versuchten die japanischen Hersteller, davon zu profotieren. Die größte Erfahrung besaß vermutlich Yamaha, als renommierter Hersteller von Pianos und Blechblasinstrumenten mit entsprechender Erfahrung in der Massenproduktion.

Auf einen weiteren, mehr psychologischen, Aspekt hat mich Gerry Hayes (Haze-Guitars, Dublin) aufmerksam gemacht:


„Hi Andreas

In my opinion, much of this is because of the perceptions of guitarists and the crazy ways the human mind works.

In the ‘golden age’ of electric guitars in the ‘50s and ‘60s, woods that are scarce today were relatively plentiful and inexpensive. Brazilian rosewood, for instance could be sourced without so much cost or hassle and so, it was used for various roles. Nobody cared enough about it that it was a big deal in the purchase of a guitar.

Come the ‘less golden age’ when penny pinching began to affect quality, players began looking towards older instruments and the ‘vintage’ market was born. I think that (at least in part) as people began to wonder why an old guitar should cost more than a new guitar, justifications were made by sellers and by buyers. There’s magic in that Brazilian rosewood, CNC is bad, different capacitors sound better — that sort of thing.

Then, to complete the circle, manufacturers noticed this trend and began making claims of vintage methods and materials, further cementing their magical perception.

Perhaps this has contributed to the conservative attitude of most guitarists. Players are always chasing tone and are always trying to justify the acts that chase brings on. I remember when ‘70s guitars were widely derided and dismissed. Now that the cost of ‘50s and ‘60s instruments puts them beyond the reach of most players, ‘70s instruments are an acceptable purchase and the bad-mouthing has mostly died down.

Builders make claims about wood type and quality because they feel they have to. Which they do, because most players refuse to believe that a richlite fingerboard can sound as good as one made from ebony. Or that a poly finish can sound as good as a nitro one. Or… etc. etc. etc.

Oh how I’d love to set up a whole range of A-B tests for players. That might be fun.

Just my thoughts … Gerry“


Die Sache mit den Blindtests hat schon bei Mineralwasser, HiFi-Equipment, Wein, Gourmetküche usw. eindeutig gezeigt, wie Menschen auf ihre eigenen Erwartungen und Vorurteile `reinfallen.

Gerry ist Luthier. Er ist vor allem auf E-Gitarren spezialisiert (eine hat er z. B. für Joe Bonamassa gebaut) und hat mit der Materie viel länger zu tun, als ich, und somit noch einen anderen Blick auf das Geschehen. Das, was er so treffend beschreibt, wird auf neudeutsch mit dem Wort „Hype“ umschrieben. Wir erleben das in allen möglichen Lebensbereichen. Leute greifen irgendwo irgendein Gerücht auf und dann wirkt ein typisches Phänomen: keine (wirklichen) Kenntnisse, keine `Ahnung´, aber zu Allem eine Meinung! Und die wird mit Vehemenz und viel Phantasie bei jeder sich bietenden Gelegenheit weitergegeben. Manchmal möchte ich doch gerne mal in die Köpfe mancher Zeitgenossen gucken können, nur um zu wissen, was da so denkt. Dazu fällt mir ein schöner Buchtitel ein: „Wer der Herde folgt, sieht nur Ärsche“ (Hannes Jaenicke)

Zurück zum eigentlichen Thema. Ich bezweifele, dass Lakewood® in den 80er Jahren wesentlich bessere Gitarren gebaut hat, als heute und dass sich Gründer & Firmenchef Martin Seeliger voller Verzweiflung nach dieser Zeit zurücksehnt, weil das Holz damals noch von guter Qualität war. Mittlerweile findet man bei ihm auch Gitarren aus heimischen Hölzern …

Die „früherwarallesbesserauchdasholz“-Legende müsste zwangsläufig alle hochklassigen Hersteller einbeziehen, denn warum sollten sie davon nicht betroffen sein. Der Geschäftsführer der Gibson Guitar Corporation©, Henry Juszkiewicz, hat sich dazu in einem anderen Zusammenhang folgendermaßen geäußert:

“So I would say it’s poppycock; our quality today is better than it’s ever been…second thing I would say is our sales are increasing; we are growing much faster than the industry is growing…if we really made junk, then people wouldn’t buy it, especially at the price that we charge…” (Musicradar, 02.08.2018)

Gitarre spielen ist eine rein subjektive Aktivität, Gitarre hören eine rein subjektive Wahrnehmung – also ist auch die klangliche Burteilung rein subjektiv!

Der Klang einer Gitarre wird immer von einer ganzen Reihe Parameter beeinflusst. Da ist der Spieler selbst – die Haltung von Greif- und Spielhand, Art und Stärke seines Anschlages (z.B. mit oder ohne Plektrum) sind ganz entscheidend. Saitenstärke, -fabrikat und -zustand  spielen ebenso eine Rolle, wie die Hörposition und die Hörgewohnheit. Dazu kommt die Funktionsweise des Gehirns. Es unterliegt generell immer wieder verschiedenen Wahrnehmungsfehlern, einer ist der „Kontrasteffekt“. Er bezeichnet das Phänomen, dass wir plötzliche Unterschiede in unserer mentalen, emotionalen und körperlichen Befindlichkeit überdeutlich wahrnehmen.

Unser Gehirn gewöhnt sich z.B. an wiederkehrende Geräusch- und Klangmuster und speichert diese in Form von Erinnerungen ab, um Vergleiche anstellen zu können, die es dann – wie alle Reize – für die Orientierung nutzt (siehe auch „Alternative Fakten“…).Wir alle kennen das, wenn wir nach einer Stunde in der Sonne in eigentlich angenehm temperiertes Wasser gehen und – einen Kälteschock erleben. Hat sich der Körper erst an die Wassertemperatur gewöhnt, halten wir es ziemlich lange darin aus, denn – außerhalb ist jetzt viel zu warm.

Das gleiche Phänomen wirkt in uns, wenn wir den Klang von Gitarren vergleichen. Daraus erschaffen Wir erst unsere eigene Vorstellung von Realität. Liegen die Situationen dann noch Jahrzehnte auseinander, vergleichen wir ohnehin nur noch eine Mischung aus unseren Erinnerungen und Erwartungen.

Auch wenn wir Vorbildern nacheifern oder ein bekanntes Musikstück spielen, eine Gitarre in der Hand zu halten und ihr Töne zu entlocken, ist also eine individuelle Angelegenheit, für die wir weder Binsenweisheiten brauchen, noch eine Herde, der wir hinterherdackeln!

Also, ignoriert die ganze Geschwätzigkeit! Früher war alles besser, wissen wir, aber jetzt ist heute.

Überhaupt scheint mir im Nachhinein so Einiges nicht wirklich schlüssig – warum statt hochwertige Hölzer und Mechaniken zu verwenden, die Gitarre mit Abalone oder Perlmutt-Ersatz überladen? Vor allem das scheint damals kein großer Kostenfaktor gewesen zu sein. Hier ist die Epiphone FT 165-12 wieder ein schönes Beispiel (siehe: Epiklon…).

Bekannte Markennamen hatten auf beiden Seiten des großen Teiches kein Problem damit, Instrumente mit verstellbaren Stegen (eines meiner Lieblingsthemen) auszustatten, Sättel und Stegeinlagen aus schlichtem Kunstoff oder sogar Weichplastik einzusetzen und die Decke mit millimeterdicken Plastikpickguards zu beplanken (z.B. bei der vollmassiven Gibson B25; der Sinn dahinter erschließt sich mir bis heute nicht). Und im Land der aufgehenden Sonne wurden billige, vollaminierte Klone von amerikanischen Vorbildern zuhauf mit Abalone und buntem Perloid verziert – allein der Optik hat’s geholfen.

An dem ganzen Gerät, dass sich Gitarre nennt, sind Sattel und Stegeinlage üblicherweise die einzigen Bauteile, die direkten Kontakt zu den Saiten haben und gleichzeitig deren Schwingungen übertragen. Wäre der Werkstoff Plastik prädistiniert für die Klangwiedergabe, vermutlich hätten Hersteller bereits Mitte des letzten Jahrhunderts damit begonnen, Instrumente daraus zu bauen und sich eine Menge Ärger erspart, den ein Naturmaterial wie Holz mit sich bringt. Töne kommen auf irgendeine Art und Weise immer `raus. So aber ist der unmittelbare Kraftschluss dieser beiden Teile mit dem Holz eine Grundvoraussetzung für die Klangentwicklung im Klangkörper (siehe: 7. Verstellbare Stege …).

verstellbarer Steg 1
Klangverhinderung hoch² – verstellbare Saitenauflagen mit Minimalkontakt

Dieses Prinzip stammt von der E-Gitarre und ist durchaus naheliegend – nahezu perfekte Oktavreinheit – hat aber so nichts auf einer Akustikgitarre verloren! Die verstellbaren Saitenauflagen haben zudem nur noch auf zwei winzigen Schienen Kontakt zum Gussgestell. Die Saitenauflagen sind, wie es scheint, weder unterschiedlich hoch, noch in der Höhe verstellbar, und somit gibt es keinerlei Anpassung an den Radius des Griffbrettes.

Davon abgesehen – im Beispiel oben erkennt auch ein Laie, wie miserabel die einzelnen Bauteile gearbeitet sind. Der Steg ist eine grob gesägte und ungeschliffene Holzscheibe, die mit zusätzlichen Schrauben (unter den weißen Punkten li & re versteckt) auf der Decke gehalten werden muss. Stringramps sind zwar lobenswert, aber hier wurden sie gemeinsam mit den Steglöchern ohne große Sorgfalt `reingesägt, und bei der D-Saite sitzen die Beiden auch noch zu weit rechts. Die Aussparung für die Gusshalterung ist so großzügig bemessen, dass kaum noch ein Kontakt zum Holz und damit zur Gitarre gegeben ist. Der Klangverlust ist hier letztlich viel deutlicher, als dass den meisten Spielern die tonalen Fehler durch eine unkorrekte Mensur auffallen würden (es wird nur gerne darüber geredet…).

Beim nächsten Modell ist die Stegeinlage ebenfalls aus (Guß)Metall und wurde sogar kompensiert. Vielleicht hätte dem Besitzer mal jemand mitteilen sollen, dass sie falsch herum sitzt … hat wohl nicht weiter gestört.

verstellbarer-steg-kompensiert.jpg

Während heute selbst günstige Gitarren mit verkapselten, ölgefüllten die-cast-Mechaniken ausgestattet werden, findet man an vielen der älteren & schlichten Modelle die billigen, die unter einem Deckel versteckt wurden und heute euphemistisch `semi-closed´ genannt werden. Ich werte das ebenso wie den verstellbaren Steg als Zeichen minderer Qualität.

semi-closed (2)

Eine Gitarre, die dann noch mit Abalone- oder Perloid-Einlagen übersäht ist, aber eine laminierte Decke hat, fällt ebenso aus meinem Beuteschema `raus – und wenn sie noch so alt ist und aus dem heiligen Land der wilden Phantasien, Japan, stammt. Nicht zuerst wegen der laminierten Decke, sondern weil bei der Konstruktion eindeutig an der falschen Stelle gespart wurde.

Die Zeiten, in denen Gitarren aus chinesischer Produktion nicht mehr als besseres Brennholz waren, sind längst vorbei! Zwar ist China der dreisteste Plagiateur weltweit, aber zum Leidwesen nicht nur unserer Automobilindustrie auch einer der geschicktesten. Und weil der Verbraucher generell alles möglichst billig haben möchte und das am besten sofort, haben nahezu alle großen Hersteller ihre Produktionsstätten immer dorthin verlegt, wo die Produktionskosten am niedrigsten waren – bis sie mit Zwischenstation in Japan, Indonesien und Korea schließlich in China angekommen sind, wie auch das Land der aufgehenden Sonne selbst. Wie’s der Kunde eben haben möchte …

Aber auch dreistes Kopieren will gelernt werden und die Übung macht den Meister, wie wir sehen können. Kommentar eines Händlers, der im Internet regelmäßig Vorführgitarren oder Gitarren mit kleinen Fehlern anbietet: „Cort Luce 300VF OM…Klasse Gitarre! Unglaublich, was in China an Qualität mittlerweile produziert wird……!

Stimmt so …

Weiter geht’s mit 2. Von der Unkenntnis zur Realitätsflucht …

Die durch den Seitenbetreiber erstellten Inhalte und Werke auf diesen Seiten unterliegen dem deutschen Urheberrecht!