Oktavreinheit & Intonation

Die Oktavreinheit (Intonation)

Es gibt ein paar Begriffe, die gerne gebraucht werden, und das ebenso gerne an, nicht immer dafür vorgesehenen, Stellen. Fangen wir mal mit dem Wort „Bundreinheit“ an. Sie wird immer wieder ins Spiel gebracht, um dem Interessenten mitzuteilen, dass die gespielten Töne und Akkorde einer gebrauchten Gitarre immer noch sauber – und nicht schräg oder schief – klingen. Allerdings klingen Akustikgitarren immer etwas schief, je höher man in die Lagen geht, aber darauf kommen wir noch.

Nun ist die Bundreinheit etwas, dass sich bei einer Gitarre nicht ohne Weiteres verändert, wenn der Hersteller die Bundstäbchen da angebracht hat, wo sie den Berechnungen nach auch hingehören. In der Beziehung können wir den meisten Herstellern vertrauen. Die Bundschlitze auf den Griffbrettern werden computergesteuert eingesägt. Bei den kleineren Premium-Herstellern geschieht auch das in Handarbeit (aber das ist ja hier nicht unsere Kragenweite).

Dass sich die Bünde von selbst verschieben, können wir wohl beruhigt ausschließen. Dass sich der Hals nur in der Länge zusammenzieht, vermutlich auch. Wenn er schrumpft, dann insgesamt, und es gibt mehr Probleme, als nur unsaubere Töne. Das bedeutet also, jede Gitarre ist zunächst `bundrein´, und zwar solange niemand auf die Idee kommt, den Hals auf halbacht zu drehen oder zu einer Berg- und Talbahn umzuformen.

Oktavreinheit bzw. Intonation sind die passenden Zauberworte

Das hängt damit zusammen, dass auf eine Gitarre Drähte gespannt werden, die eine bestimmte Länge haben müssen, um bestimmte Töne zu erzeugen. Diese Länge ist nicht beliebig veränderbar (es sei man ist Instrumentenbauer mit einer Vorliebe für experimentelle und ausgefallene Produkte). Die Länge dieser Drähte wiederum ist abhängig von der Höhe der Töne, die erzeugt werden sollen. So erklärt sich z. B. der Größenunterschied zwischen einer Ukulele, einer Konzert-, einer Western- oder E-Gitarre und einem Bass.

Schon seit einigen hundert Jahren ist die Gitarre allein aufgrund ihrer Größe und Transportfreundlichkeit eines der beliebtesten Instrumente. Also musste sie auch immer verschiedene Aufgaben übernehmen: als Teil eines großen Orchesters, als Lagerfeuerunterhaltung für die Cowboys, oder um die angebetete Liebste unter ihrem Fenster anzu….singen. Letzteres findet heutzutage nicht mehr so oft vor dem Fenster, sondern mehr auf einer Bühne statt, was den Sänger so ganz nebenbei auch in einem viel besseren Licht erscheinen lässt. Manche stehen relativ ungerührt in der Gegend `rum, Andere verrenken sich dabei geradezu. Und bestätigten Gerüchten zufolge sollen Leute ihre Gitarre sogar auf offener Bühne zu Klump gehauen oder angezündet haben, sehr zur Freude des anwesenden Publikums. Und wir wollen natürlich auch die Hawai’ianer nicht vergessen. Denen verdanken wir letztlich die `Country & Western´-Musik, Dolly Parton, Hank Williams,  und irgendwie auch Freddy Quinn und Peter Kraus und die Wildecker Herzbuben. Ich hoffe, manches davon lässt ihre Nachkommen schlechter schlafen …

Trotz all dieser kulturellen Errungenschaften lassen sich bei Akustikgitarren ein paar Probleme nicht ausschließen. Saiten haben eine unterschiedliche Dicke und im Grunde auch Länge. Sie werden alleine und in den merkwürdigsten Kombinationen – mehr oder weniger gemeinsam – gedrückt, gezogen und sonstwie malträtiert. Bei jedem Akkord werden die beteiligten Saiten auch noch mit unterschiedlichem Fingerdruck unterschiedlich in die Länge gezogen. Das muss einer erstmal abkönnen! Je älter und abgespielter sie sind, desto mehr verändern sich ihre ursprünglichen Eigenschaften … und damit die Oktavreinheit.

In der ursprünglichen Einstellung mit neuen Saiten ist die Oktavreinheit am ehesten gegeben. Aber – sie ist immer nur ein Kompromiss zwischen mehreren Faktoren, denn einen perfektes Verhältnis der Töne zueinander existiert auf der akustischen Gitarre nicht! Allgemein ist in der Musik die sog. „temperierte Stimmung“ (12 gleich große Halbtonschritte innerhalb eine Oktave) am weitesten verbreitet. Außer der Oktave stimmt aber leider kein Tonabstand (Intervall) mehr exakt, egal in welcher Tonart. Allerdings sind diese Abweichungen in allen Tonarten gleich groß. Aus mathematischer Sicht gesehen: nach dem sorgfältigsten Stimmen … stimmt nix mehr!

Aufgrund der geringen Dicke der Stegeinlagen klingen die tiefe E- und die H-Saite häufig einen Tick zu hoch, während die D- und die hohe E-Saite am wenigsten Probleme bereiten.

Das bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass jedes stimmbare Instrument so eingestellt wird, dass die unvermeidlichen Abweichungen der einzelnen Töne und der Akkorde möglichst wenig auffallen. Die meisten Spieler finden für sich eine Einstellung, mit der sie leben können und überhören die tonalen Ungereimtheiten. Die einen stimmen nach Gehör, andere benutzen ein Stimmgerät. Vor allem im Bandkontext oder im Zusammenspiel mit Anderen konzentriert man sich schnell auf die Musik.

Am ehesten lässt sich eine, in sich „richtige“, Stimmung auf einer E-Gitarre erreichen. Anstelle der Stegeinlage verfügt sie über bewegliche Halterungen für jede einzelne Saite, mit der die Länge (und Höhe) individuell eingestellt werden kann. Bei einer Westerngitarre gibt’s das nicht – von früheren Experimenten mal abgesehen (siehe unten), die v.a. auf günstigen Instrumenten zu finden waren ( guckstu hier: 8. Der verstellbare Steg ).

verstellbarer Steg 1

Der Steg hat eine feste Position, und die darin befindliche Nut für die Stegeinlage ebenfalls. Sie lässt sich in keine Richtung verschieben und so ist (im Normalfall) die einzige veränderbare Größe die Dicke der Stegeinlage und ihr Auflagepunkt für die jeweilige Saite. Nun werden die Stegeinlagen schräg angesetzt, um wenigstens ein bißchen Wirkung zu erzielen. Dabei entsteht die größte Entfernung zum Sattel bei der tiefen E-Saite, die kürzeste bei der hohen e-Saite. Wenig Spielraum für große Ansprüche und hohe Erwartungen!

In den 70er und 80er Jahren gab es verschiedene Versuche, das Problem mit der Oktavreinheit zu lösen, indem Hersteller und Gitarrenbauer vereinzelt dickere Stegeinlagen verwendete, um den Spielraum für die Kompensation zu vergößern. Theoretisch wäre das auch heute ohne Probleme möglich. Man müsste nur die Nut entsprechend größer auslegen, wie bei dem Vantage-Modell unten. Eine dickere Stegeinlage würde vermutlich auch die Schwingungsübertragung verbessern aufgrund der größeren Auflage. Aber nahezu alle Hersteller und Gitarrenbauer wenden seit über 60 Jahren die altbekannte Vorlage an, ohne sich darum zu kümmern, dass die gegriffene Oktavnote einer Saite genau dem Flageoletton im 12. Bund entpricht – von den Konstruktionen einiger Edelschmieden mal abgesehen.

Allerdings findet man heute auch bei den günstigen Modellen überwiegend industriell kompensierte Stegeinlagen getreu dem Motto „besser als nix“, deren Genauigkeit ich mal dahingestellt lasse. Die von mir nach der Überarbeitung kompensierten Stegeinlagen unterscheiden sich i.d.R. deutlich vom Original.

Bei einer DY 61 hatte der japanische Gitarrenbauer Kazuo Yairi die Saitenauflagen sogar einzeln ausgelegt. Man kann die unterschiedlichen Kompensationen sehr gut erkennen. Ähnliches habe ich bei einzelnen Yamaha-Topmodellen aus den 70er Jahren gesehen. Warum er sie dann in einen schmalen Kunstoffrahmen anstelle von Ebenholz einsetzte, kann ich nicht sagen. Ohne diesen Rahmen hätte man die Auflagen erheblich stärker auslegen können. Das (minimal) erhöhte Gewicht halte ich persönlich für mehr als vertretbar. Daneben ist eine Yairi mit dem auffälligen Doppelsteg zu sehen. Kazuo Yairi wollte so die Gefahr eines nach vorne gekippten Steges bzw. dessen Folgen minimieren. Nach der Zusammenführung von Yairi & Alvarez wurde daraus wieder eine Einheit, die auch heutzutage den charakteristischen Alvarez™-Steg ausmacht.

Apropos Gewicht – andere Hersteller wie Daion™ verbauten serienmäßig in ihrer 79 BR Sattel & Stegeinlage aus Messing, die erheblich mehr auf die Waage bringen, als eine dickere Stegeinlage. Ebenfalls aus Messing und mit einzelnen Saitenauflagen versehen ist die schon ältere Konstruktion von Kent Everett.

Um eine möglichst(!) optimale Oktavreinheit zu erreichen, werden Stegeinlagen also zusätzlich kompensiert, das heißt, die Auflagepunkte für die Saiten werden individuell verändert – also nach vorne oder hinten verschoben – und damit prinzipiell auch die Länge der Saiten. Dabei ist immer der Kern einer Saite maßgeblich, nicht die Umwicklung (s. u. Peter Fingers Beschreibung). Der Spielraum dafür ist denkbar klein, da die Nuten für die Stegeinlagen in der Regel kaum breiter als 3-3,5 mm sind.

Vor gut zwei Jahrzehnten begannen daher Hersteller wie Takamine™ oder Burgeois™ serienmäßig eine zweigeteilte Stegeinlage einzusetzen, um den fehlenden Spielraum auszugleichen. Spaßig wird’s aber für den, der hier einen Unterstegtonabnehmer nachträglich einbauen muss …

Ein anderes Prinzip wendete der Studio- und Livemusiker Howard „Buzzy“ Feiten an, übrigens auch ein „Luthier“. Er begann viele Messungen an unterschiedlichen Mensuren durchzuführen, stellte eine Menge Kalkulationstabellen auf und entwickelte das „Buzz Feiten Tuningsystem“, da er als absoluter Praktiker mit den üblichen Intonationssystemen nie wirklich zufrieden war. Sein Prinzip basiert auf Berechnungen, die auf Saitenstärke und Länge der Mensur beruhen und dem Gitarrenhersteller genau zeigen, wie weit der Steg bzw. die Stegeinlage in die eine oder andere Richtung verschoben werden muss. Die Stegeinlage hat eine charakteristische, nach hinten versetzte Nase und eine `scharfe´ Oberkante für genaue Auflagepunkte ohne weitere Kompensation. Für die Nase wird in den Steg selbst eine entsprechende Nut gefräst.

Der Sattel sitzt ein kleines bißchen näher am 1. Bund als üblich, und Feiten stimmte die Saiten temperiert, also abhängig von der Stärke und der Mensur entweder etwas nach unten, oder nach oben. Meine Garrison-Gitarren verfügen über dieses System, und Washburn soll es früher serienmäßig eingebaut haben. Gitarren liessen sich darauf umrüsten, allerdings gab es anfangs keinen Weg zurück, da das Griffbrett zum ersten Bund hin verkürzt wird. Feiten ließ sich sein System patentieren und es verbreitete sich unter einem Teil der Profis. Inzwischen gibt es autorisierte „Retrofitter“ und Sättel, die in Richtung 1. Bund verlängert sind und auf diese Weise den Abstand verkürzen, ohne am Griffbrett Material zu entnehmen. Es gibt auch einen speziellen Tuner dafür.

Bei Interesse findet man z. B. hier ausführlichere Informationen: https://www.thomann.de/de/onlineexpert_page_stimmgeraete_die_buzz_feiten_story.html oder beim Original http://buzzfeiten.com/howitworks/howtoid.htm

Eine interessante Variante fiel mir auf einem Video von dem Ausnahmegitarristen Peter Finger auf, der auch als Gitarrenbauer in seinem Geschäft in Osnabrück tätig ist. Auf seiner `Finger-Gitarre´ sah ich Folgendes: einen zweigeteilten Nullbund mit Kompensation (ähnlich der zweigeteilten Stegeinlage), der mir so noch nicht begegnet war.

Finger-Gitarre (1)

Wie beim „Buzz Feiten Tuningsystem“ wird die Konstruktion, in diesem Fall das Griffbrett, verändert. Der ursprüngliche Sattel hat nur noch die Funktion, den Seiten ihren Platz auf dem Griffbrett zuzuweisen, an der Saitenlage ist er nicht beteiligt. Das setzt exakt platzierte und gefertigte Bundstäbchen voraus, weil die Saitenlage damit dauerhaft festgelegt wird. Nun gibt es den „Nullbund“ schon ziemlich lange, aber er wird nur noch selten verwendet. Auf diese Weise eingesetzt, weckte das sofort mein Interesse und ich bat Peter Finger um ein paar Fotos mit kurzer Erläuterung. Trotz eines sicherlich mehr als vollen Terminkalenders hat er mir freundlicherweise auch geantwortet. Da er seine Gitarren nur nach Auftrag baut, stammen die Fotos vermutlich noch von Prototypen:

Hallo Herr Niegel,

hat etwas gedauert, tut mir leid….
Ich kompensiere den Sattel bei fast allen meiner Gitarren. Es sei denn, der Kunde wünscht einen unkompensierten Sattel. Bei der Kompensation kommt es auf die Saitenstärke an. Dies betrifft jedoch nur den Kern, nicht die Umspannung. Die H-Saite ist ungefähr so dick wie der Kern der tiefen E-Saite, deshalb kompensiere ich dort ca. 2mm. Die hohe E-Saite und die G-Saite sind nicht kompensiert.
Infos dazu gibt es auf der Website von Karsten Görbig (Gitarrengalerie Bremen).
Ich hänge mal ein paar (leider nicht gute) Fotos an. Es gibt drei Arten der Kompensation, die ich anwende: 
1. Nullbund – mache ich in letzter Zeit wegen der Optik nicht mehr
2. Kompensierter Sattel. Hier wird das Griffbrett um 2mm im ersten Bunde verkürzt.
3. nachträglich Kompensierter Sattel. Der Vorteil ist , dass man es problemlos wieder entfernen kann (keine Verkürzung des Griffbretts).
Viele Grüße
Peter Finger

Variante 2 – gekürztes Griffbrett plus aufwendig kompensiertem Sattel verspricht für jede einzelne Gitarre eine optimale Intonation und Oktavreinheit. Es ist wieder ein konstruktives Merkmal, dass sich nicht rückgängig machen lässt. Allerdings wird wohl niemand bei Peter Finger eine Gitarre in Auftrag geben und im nächsten Schritt darüber nachdenken, wie sie bzw. er am besten an so ein Einzelstück nochmal selbst Hand anlegen könnte.

Variante 3 ist mit dem nachträglich kompensierten Sattel universeller und für ganz traditionelle Gemüter vielleicht beruhigender, da die Länge des Griffbrettes unangetastet bleibt. Die `Zähne´ für die Kompensation werden aber immerhin aufgeleimt und sind nicht mal eben zu entfernen.

Interessierte sehen hier mal `rein: https://www.acoustic-music.de/epages/63090349.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/63090349/Categories/Guitar_Basar/Gitarren/finger und hier: http://www.gitarrengalerie-bremen.de/intonation.htm

Und an dieser Stelle noch ein ausdrückliches Danke an Peter Finger


Die Mensur

Als Mensur wird die frei schwingende Saite innerhalb der Auflagepunkte von Sattel und Stegeinlage bezeichnet. Mensuren können von Gitarre zu Gitarre unterschiedlich lang sein. Beispiel: Baton Rouge L6B = ca. 63,5 mm / Blueridge BR 43 = ca. 65,2 mm / Blueridge BR 70 = ca. 64,5

Die einzelnen Werte müssen so exakt wie möglich eingehalten werden, ich habe allerdings nur mit einem gewöhnlichen Bandmaß gemessen. Gitarrenbauer verfügen über jede Menge Datentabellen zu den unterschiedlichsten Mensuren. In der Massenproduktion beschränken sich die meisten Hersteller auf Standardmensuren. Die gebräuchlichste bei Westerngitarren ist die sog. lange Mensur mit 64,5 mm = 25.4″. Da Westerngitarren in den USA entstanden sind, wird eine Mensurlänge üblicherweise in Zoll angegeben.

Interessanterweise ist die Mensur der Blueridge-OM um fast 2 cm länger, als die der L6B, einer Dreadnought. Mit der Länge lässt sich auch die Klangcharakteristik beeinflussen. Je länger die Mensur ist, umso lauter klingt die Gitarre, da sich die größere Saitenspannung besonders auf die Höhen auswirkt, was sie ebenfalls heller klingen lässt. Allerdings wird auch die Bespielbarkeit der Gitarre erschwert. Im Fall der BR 43 mit einem kleinen OM-Korpus versuchten die Konstrukteure offensichtlich der Lautstärke ein wenig auf die Sprünge zu helfen, während die L6B-Dreadnought bereits laut genug war und aufgrund ihres Ahorn-Korpus in Verbindung mit einer Zederndecke vermutlich eher etwas wärmer klingen sollte.

Wir sehen also wieder einmal – an einer Gitarre existiert kein Aspekt oder Effekt für sich alleine. Jeder Veränderung führt zu einer weiteren, alles beeinflusst sich gegenseitig. Und da habe ich das Thema „Saitenstärke“ ja noch gar nicht erwähnt.

Die Mensur müsste für jede einzelne Saite und Saitenstärke (bezogen auf den Saitenkern ohne Umwicklung) eigens eingestellt werden, um eine gute Intonation zu ermöglichen. E-Gitarren können das aufgrund ihrer speziellen Stegkonstruktionen besser – schön. Akustiggitarren können’s nicht – soweit so schlecht und kompliziert. Für mich bedeutet es, dass ich jede Stegeinlage für jede Gitarre letztendlich mit aufgezogenen Saiten kompensiere, um ein möglichst(!) optimales Ergebnis zu erzielen. Werden später dickere Saiten aufgezogen und wird mal wieder die „Saitenlage richtig eingestellt“, war’s das mit dem Gerede über perfekte Oktavreinheit, Intonation usw usw.

Das Ganze ist immer mehr als nur die Summe seiner Teile!


Die Mensur wird bei jeder Gitarre am 12. Bund halbiert. Spielt man hier einen Flageolett-Ton, ist dieser exakt doppelt so hoch wie die Leersaite. Drückt man im 12. Bund die Saite, entspricht die Tonhöhe somit der des Flageoletts. Stimmen beide überein, alles super. Stimmen beide nicht überein – der Normalfall – muss die Saitenlänge verändert werden. Der Grat der Stegeinlage wird also in die eine oder andere Richtung angepasst. Man muss dabei schon sehr genau hinhören (können).

Ist der gegriffene Ton höher als der Flageolett, ist die Saite hinter dem 12. Bund zu kurz und muss verlängert werden. Ist der gegriffene Ton niedriger, ist die Saite hinter dem 12. Bund zu lang und muss verkürzt werden. Dies erfolgt bei mir mittels „Hören“ und schrittweise „Verändern“ und setzt eine gewisse Erfahrung voraus. Denn: ist der Druck unterschiedlich, vor allem auf die dicken Saiten, verändert sich natürlich sofort die Tonhöhe am 12. Bund. Bei manchen Gitarren ist die erzielte Oktavreinheit mehr als nur zufriedenstellend, bei manchen mehr eine Annäherung an die Wunschvorstellung.

Voraussetzung: die Halskrümmung und die Saitenlage müssen eingestellt sein und bleiben. Jede nachträgliche Veränderung des Halses wirkt sich auf die Länge der Mensur aus, und damit auf die Oktavreinheit. Streng genommen gilt dies auch für jegliche Veränderung in der Höhe an Sattel und Stegeinlage.


Kann jeder ausprobieren. Spielt mal um den 12. Bund herum die umwickelten Saiten und drückt zuerst relativ leicht (natürlich ohne dass es schnarrt) und dann mit sehr festem Fingerdruck. Der Unterschied ist enorm. Macht man das bei einem Ton, erreicht man sogar einen leichten Tremolo-Effekt. Das zeigt, dass die Oktavreinheit in der Tat eine ziemlich wackelige Angelegenheit ist. Ist werksseitig der Halswinkel nicht korrekt und weicht nur ein bißchen vom Idealzustand ab, und befindet sich die Nut für die Stegeinlage nicht exakt dort, wo sie theoretisch hingehört, reicht die Dicke des Knochenmateriales nicht aus, um die Fehler auszugleichen.


Aber selbst wenn die o. g. Prozedur einigermaßen erfolgreich war, es gibt noch immer Faktoren, die dem Gitarristen das Leben schwer machen, z. B. die Masse und die Steifigkeit einer Saite … und die Mehrspannung, sobald sie gedrückt wird. Damit kommen am Ende auch noch Höhe und Dicke der Bundstäbchen mit ins Spiel, und die Qualität des Saitenmateriales. Billigsaiten aus Fernost schonen zwar das Privatvermögen, aber nicht die Oktavreinheit.

Somit wird am Ende ziemlich klar und deutlich, wie diffizil letztlich das Zusammenspiel dieser verschiedenen Faktoren ist – und was die Herren Sattelsäger, Stegschleifer und Halseinsteller neben einer `super performance´ noch so alles erreichen …

Stimmt so…