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Hals und Griffbrett
Zu allererst: lest Ihr in irgendeiner Beschreibung für eine gebrauchte Gitarre, dass die Saitenlage zu hoch ist, sich aber jederzeit mit oder ohne Fachmann einstellen lässt – zu unsicher, gleich weiterzappen! Haltet Ihr eine Gitarre in der Hand, die vom Besitzer mit dem gleichen Kommentar begleitet wird, äußerste Vorsicht!
Am besten, direkt ausprobieren. Vor allem bei alten Schätzchen: lässt sich der Trussrod gut bewegen oder ist er schwergängig? Muss man viel Kraft aufwenden und knackt oder kracht er hörbar, wenn man ihn bewegt? Dann auch hier Vorsicht!
Ist die Halskrümmung nur verstellt, lässt sie sich korrigieren. Aber – ein verzogener Hals ist wie ein Auto, dessen Fahrwerk nicht mehr durch den TÜV kommt. Eine Halswelle (s.u.) oder ein nicht mehr verstellbarer Hals (weil der Halsstab uralt oder verrostet ist und festsitzt) sind in den unteren Preisklassen ein Totalschaden. Ein defekter Halsstab lässt sich theoretisch reparieren oder austauschen, aber der Aufwand und die Kosten sind entsprechend hoch, weil das Griffbrett vom Hals getrennt werden muss.
Vorsicht erst recht bei alten, mit dem Zusatz „vintage“ versehenen, Schätzchen. Ist die Saitenlage zum Korpus hin sehr hoch, und die Stegeinlage gleichzeitig gegen Null `runtergeschmirgelt oder sogar eingesägt (siehe auch Sattel und Stegeinlage), hat sich der Halswinkel dramatisch verändert. Damit ist die Gitarre ab dem 5. bis 7. Bund weitgehend unbrauchbar. Die gesamte Konstruktion hat sich im Lauf der Jahre oder Jahrzehnte so verändert, dass der Hals nach `oben´ steht – der usprüngliche Winkel des Hals‘ im Verhältnis zu Decke und Korpus stimmt nicht mehr.
Ein Neckreset ist fällig!
Das bedeutet Folgendes: der Leim muss mit Dampf erhitzt, der Hals vom Korpus getrennt, Halsfuß und die Einpassung am Korpus müssen bearbeitet und anschließend im richtigen Winkel wieder zusammengeleimt werden. Das erfordert entsprechendes Gerät und das notwendige theoretische und praktische Know-how – also auch das erforderliche Kleingeld! So etwas lohnt sich nur bei einem hohen ideellen oder materiellen Wert … am besten beides.
Die Autoren des Buches „Akustische Gitarren“ (Gerken, Simmons, Ford, Johnston) gehen davon aus, dass nach 20-30 Jahren mit einem Neckreset zu rechnen ist. Meine TAMA™ von 1979 hat sich in der Beziehung sehr gut gehalten, was für die Qualität der Gitarre spricht. Es muss also nicht zwangsläufig eintreten, betrifft aber auch die Hochpreis-Modelle.
Schnarrt’s irgendwo bei etwas festerem Anschlag? Erste Frage: wie ist der Gitarrenhals eingestellt und wie niedrig bzw. hoch ist die Saitenlage am 1. und 12. Bund? Zweite Frage: sind die Bndstäbchen unterschiedlich hoch?
Ein korrekt eingestellter Hals ist nicht schnurgerade! Das ist ebenfalls eines der vielen selbstgezimmerten Gerüchte. Eine korrekte Halseinstellung beinhaltet eine leichte (!) Wölbung über die ersten 3 bis 4 Bünde nach oben, wenn man, ausgehend vom Schalloch, dicht am Hals bzw. Griffbrettrand in Richtung Kopfplatte schaut (Bild 1). Ist ja auch logisch, wenn Frau & Mann in der 4. Klasse Physikunterricht auftgepasst haben – in der Mitte der Mensur (Mensur = der frei schwingende Teil der Saiten) hat die Saite ihre größte Auslenkung. Eine richtige Halseinstellung berücksichtigt immer mehrere zusammenspielende Parameter!
Geht mal mit Daumen und Zeigefinger an beiden Seiten des Griffbrettes entlang und fühlt die Enden der Bundstäbchen. Fühlt es sich unsauber oder sogar scharf an? Sind sie einfach nur abgeschnitten oder verrundet, stehen sie gar ein wenig über? Hier kann sich bereits die Spreu vom Weizen trennen. Scharfe Bundenden gibt es auch bei teureren Gitarren, bei Billigmodellen sind sie die Regel, bei sehr ausgetrockneten Griffbrettern bzw. Instrumenten eine Folge fehlender Pflege.
Kommen wir zu Frage 2: sind die Bünde unterschiedlich hoch? Dann besteht die Gefahr, dass irgendwo auf dem Griffbrett ein Schnarren auftritt, wenn die Saite auf einem niedrigeren Bund gedrückt wird und auf den höheren, nächsten Bund aufschlägt. Das kann geschehen, wenn die maschinelle Verarbeitung trotz allem (oder wegen allem?) ungenau ist – für mich keine Seltenheit. Nach einigen Jahren verändert sich ein Holzinstrument aber auch und da bilden Hals und Bundstäbchen keine Ausnahme (siehe Aus der Werkstatt …).
Der nächste prüfende Blick gehört somit den Bünden selbst. Sehen sie aus wie oben, dann hat die Gitarre eine längere Zeit unbeachtet in irgendeiner Ecke verbracht und sie sind korrodiert (mehr wollen wir auch gar nicht wissen…). Da muss man beim Polieren auch in die letzten Winkel `rein, mit mal eben d’rüberpolieren ist es nicht mehr getan.
Leichte, mit dem Fingernagel gerade noch fühlbare, Vertiefungenen bleiben zwar nicht ganz ohne Wirkung, fallen im Gesamteindruck aber nicht auf (Viele merken’s gar nicht …). Irgendwann steht allerdings ein Angleichen der Bundhöhe, also das sog. Abrichten an.
Deutlich fühl- und sichtbare Kerben (s.o.) verändern gleich mehrere Faktoren (Gerüchten zufolge soll es Leute geben, die auch das gar nicht merken…) und erfordern dann ein zeitnahes und sorgfältiges Abrichten, vorausgesetzt, die Bundstäbchen werden nicht zu flach. Anschließend muss die Bundkrone befeilt werden, damit sie ihre alte Form zurück erhält und ein neues Setup erfolgen kann.
Auch das erfordert Sorgfalt und Augenmaß. Sonst sieht’s so aus, wie unten – von den rostigen Drähten mal ganz abgesehen. Offenbar wurde wild hin- und hergeschliffen und der Radius von Griffbrett und Bünden spielte auch keine große Rolle. Wer da Hand angelegt hat, gehört geh…en!
Mit einem Radienschleifkotz, der dem Radius der Griffbrettwölbung entspricht, wird die Höhe der Bünde angeglichen (siehe: https://stimmtso.org/aus-der-werkstatt/). Nachdem ihre Kronen entsprechend befeilt sind und wieder die ursprüngliche Form erhalten haben, werden sie poliert. Der Erfolg spiegelt sich dann in der Oberfläche, so wie unten zu sehen.
Seht Euch das Griffbrett (Fretboard) ebenfalls genau an. Palisander oder Ebenholz sollte schon das Material der Wahl sein, weil es eine hohe Dichte und Härte besitzt und sich beim Greifen nicht gleich abnutzt. Diese Hölzer haben als Griffbrett eine fühlbare Längs-Struktur, eine dunkle Färbung, und sind nicht a…glatt (eine Ausnahme bilden die akustischen Gitarren mit einem Ahornhals, der wie bei E-Gitarren normalerweise lackiert ist; in den oberen Preisklassen werden mittlerweile auch sog. Compound-Materialien verwendet, die aus mehr als nur einem Werkstoff bestehen und sich anders anfühlen, als eine klassische Holzstruktur). Sie haben aber auch keine Riefen (s.u.)!
Um Kosten einzusparen, werden auf Billigproduktionen auch gerne mal Griffbretter geklebt, die ihre hölzerne Seele mit einer schwarzen Farbschicht vor dem Betrachter verbergen – aus gutem Grund! Darunter verbirgt sich ein billigeres Holz, dass nach einiger Zeit zum Vorschein kommt, wenn die Kanten oder das Griffbrett selbst (s.o.) im Spielbetrieb abgenutzt werden. In jedem Fall ist ein schwarz `angepinseltes´ Griffbrett absoluter Unfug. Die Farbe verhindert eine Pflege des Griffbrettes, da kann kein Öl und kein Pflegemittel einziehen, um die Geschmeidigkeit und Elastizität des Holzes zu erhalten. Die Farbe wird sich abnutzen und dann schimmert das eigentliche Material durch und das sieht wirklich billig aus.
`Anpinseln´ geht auch auf dem eigentlichen Hals. Hersteller von Billigproduktionen müssen Kosten sparen und greifen auf günstigere Materialien (meistens helle Hölzer, wie Ahorn, Erle, Esche … ) von minderer Qualität zurück, die sich möglichst billig einkaufen lassen.
Zum Beispiel wird Ahornholz zumindest bisher seltener für Akustikgitarren eingesetzt, weil es eine, vergleichsweise helle und harte Klangcharakteristik unterstützt (für E-Gitarren ist es ein gängiges Holz, v. a. für den Hals). Andererseits – als bewusster und durchdachter Teil der Konstruktion in Kombination mit anderen hochwertigen Hölzern ist Ahorn ebenso gut. Klassisches Beispiel ist die Gibson-SJ200, die `Super-Jumbo´mit Fichtendecke und Korpus aus Riegelahorn. Und auch Taylor™ hat in der 2020er Kollektion mehrere Modelle mit unterschiedlichen Ahornarten im Programm.
Wenn man irgendein helles Holz (s.u.) hinter einer braunen Fassade versteckt, sieht es für Unbedarfte aus wie das hochwertigere Mahagoni. Dumm gelaufen – hier ist der Lack ab!
Die Maserung des Mahagoni ist viel strukturierter als die des hier verwendeten Holzes. Also ist durch den Decklack hindurch auch nicht viel zu sehen, die Lackfläche unterscheidet sich nicht großartig von der eines, mit der gleichen Farbe gestrichenen, Eisenrohres und sieht dementsprechend ziemlich uninspiriert und langweilig aus.
Bei einer günstigen Johnson™ der jüngeren Zeit hat sich die rotbräunliche `Verkaufslackierung´ an der Kopfplatte stellenweise verabschiedet und die offenen Stellen können nicht mal einfach wieder verschlossen werden, ohne dass man es deutlich sieht. Darunter kommt ein grobmaseriges Holz zum Vorschein, dass in das knappe Budget passen musste. Als Lagerfeuer-Gitarre nicht weiter dramatisch, aber sehr ärgerlich, wenn eine Jemandin oder ein Jemand voller Vertrauen ihr/sein Erspartes dafür hergegeben hat, und so eine gebraucht gekaufte Gitarre offenbart ihre Feinheiten erst wirklich, wenn man sie in der Hand hält!
Und wenn wir schon bei „außen hui, innen pfui“ sind – eine billige Holzseele kann sich auch hinter einer Fichte-Mahagoni-Hülle verbergen und für’s Erste den Blicken der Öffentlichkeit entziehen. Das Ahorn(?) gibt der sehr dünnen Mahagonischicht die nötige Stabilität und ist immer noch billiger, als reines Mahagoni-Schichtholz. Möchte man den Materialeinkauf noch günstiger gestalten, ist ein Korpus aus Linden- oder Weidenholz angesagt.
Fake-News – und ein billig-Tonabnehmer, der muss natürlich auch noch `rein …
Ein weiteres Merkmal, auf dass man bei einer Gebrauchten unbedingt achten sollte: haben sich unter den Saiten schon tiefe Mulden in das Griffbrett eingegraben? Dann wird die Saite an dieser Stelle beim Niederdrücken unweigerlich stärker in die Länge gezogen, als beabsichtigt und der Ton wird ungenau. Manche Gitarren, die „…sehr wenig…“ gespielt wurden, haben vielleicht keine weltbewegenden Gebrauchsspuren, aber schonmal leichte Kerben auf den Bundstäbchen und bereits sichtbare Vertiefungen davor.
Mulden, die sich zwischen den Saiten gebildet haben, sind nicht ganz so dramatisch, weil sie i.d.R. keine Auswirkung auf die Tonhöhe haben. Sie entstehen weil ein Besitzer nicht in der Lage war, die Länge seiner Fingernägel einzuschätzen. Manche merken’s über die Jahre gar nicht, bei manchen Gitarren fallen die Ausgrabungen noch nicht sonderlich auf, wie bei dieser FG 460 SA. Auf lange Sicht wird hier auch ein Eingriff nötig sein.
Immer wieder begegnen mir auf den bekannten Plattformen Gitarren, deren Griffbretter mehr an ein Relief (siehe unten) erinnern, als an eine ebene Fläche. Mitunter ist ein Griffbrett einfach ein-, wenn nicht sogar abgespielt. Das heißt dann: Bünde `runter, Griffbrett abrichten und anschließende Neubundierung mit Abrichten der Bundstäbchen …
Die folgenden Fotos zeigen einige Griffbrett-Ansichten, die nicht unbedingt zum Kauf ermutigen. Eine Reihe von Mulden befinden sich zwar zwischen den Saiten, die unangenehmen Mulden jedoch entstehen immer an den typischen Stellen der meistgespielten Akkorde, dort wo der Druck der Finger am häufigsten und stärksten war. Manche Griffbretter sind zu regelrechten Ausgrabungsstätten mutiert.
Alleine der Zustand von Griffbrett und Stegeinlage sagt etwas aus über das bewegte Leben dieser und manch anderer Gitarre. In dem o.a. Fall wäre ein Abrichten des Griffbrettes und eine Neubundierung fällig. Das lohnt sich nur bei einem wirklich hochwertigen, teuren oder seltenen Instrument. Sollte die Gitarre aber nur noch als billige „Lagerfeuerklampfe“ eingesetzt werden, kann man getrost darauf verzichten. Ansonsten sollte das aufgewendete Geld lieber in einen besseren Nachfolger investiert werden. Darüber hinaus war diese Yamaha aus den 70ern insgesamt recht vermackt und wurde nur aufgrund ihres Alters und des ach so `legendären Rufs´ hin- und herverkauft.
Ein untrüglicher Hinweis auf die (fehlenden) Pflegegewohnheiten des Vorbesitzers sind auch Griffbretter, auf denen sich regelrechte Schmandränder zwischen den Bünden gebildet haben. Das ist nicht direkt mit einem Defekt gleichzusetzen, aber jemand, der seine Gitarre derart versyphen lässt, hatte gravierendere Dinge wohl auch nicht im Blick. Kostprobe gefällig … ?
Eine alte Yamaha FG 160 vom Anfang der 70er Jahre war – abgesehen vom nicht mehr aufbereitungswürdigen Allgemeinzustand – so verschmutzt, dass ich die Griffbrettoberfläche mehrmals mit einem warmen, nassen Frotteehandtuch einweichen musste, um dem ganzen Syph und Schmier mittels kräftigem Abreiben überhaupt Herr zu werden. Abgesehen davon, dass so etwas mehr als unappetitlich ist, lässt auch das wieder interessante Rückschlüsse auf den bzw. die Vorbesitzer zu…
Nach der längst fälligen Abreibung ist die Griffbrettoberfläche wieder sauber und geölt, dafür sind die Abnutzungserscheinungen umso deutlicher. Das Sattelbett habe ich noch gesäubert und begradigt, aber das Griffbrett müsste komplett überholt werden!
Egal wie alt – der Allgemeinzustand der FG 160 ist viel zu heruntergekommen, um so einen Aufwand zu betreiben, jedenfalls nicht als Auftragsarbeit wie in diesem Fall, oder um so eine Gitarre anschließend weiter zu verkaufen. Wenn das persönliche Herz daran hängt, muss sich halt ein(e) Jede(r) überlegen, ob es sich lohnt, Geld und Zeit zu investieren. Vielleicht findet sich auch ein Interessent, dem Korpus und Lack nicht so wichtig sind. Aber als Kaufobjekt? Mein Rat – als Anfänger oder Aufsteiger bloß die Finger davon lassen, auch als billiges Angebot! Hier geht’s nur mit viel Aufwand und Know-How weiter …
Diese FG ist nur ein Beispiel für den Zustand einiger sog. `vintage´-Exemplare für `echte Kenner´, die `Bescheid wissen´. Also Augen auf!
Kleine Welle – großes Drama!
Ein Defekt, der häufiger auftritt, als man glaubt, ist eine Halswelle (engl. hump). Diese macht sich bemerkbar durch eine Schnarren in den hohen Lagen vor oder an dem Hals-Korpus Übergang. Die Halswelle verläuft nach unten, eine Art leichter Knick, und die Saiten schlagen irgendwo um den 14. Bund herum (bei 12-Bund-Modellen natürlich vorher) auf die Bundstäbchen oder liegen direkt auf! Letzteres lässt sich kinderleicht herausfinden – die Töne klingen unsauber und verändern sich nicht!
Will man nicht gleich eine Korrektur des Halswinkels vornehmen – was Ausbau bedeutet und wegen des Aufwandes und der Kosten nur bei einer teuren Gitarre sinnvoll ist – oder ein neues Griffbrett aufleimen lassen mit anschließender Neubundierung, bleibt eine kleine Hoffnung. Eventuell lässt sich der Halswelle beikommen, wenn man die Bundstäbchen auf dem Korpus abrichtet, genauer gesagt `ausdünnt´. Ob die Maßnahme zum Erfolg führt, weiss man erst hinterher. Die beiden Fotos zeigen eine solche Halswelle, bei der das Abrichten leider vergebens war. Man kann die nun sehr flachen Bünde gut erkennen. Aufgrund dieses Defektes war die Gitarre nicht mehr brauchbar und dient nun als, vergleichsweise teures, Anschauungsobjekt…
Stimmt so …