2. Von der Unkenntnis zur Realitätsflucht …

… ist es kein weiter Weg. Man muss nur genug eigene Phantasie mit den Gerüchten und Binsenweisheiten Anderer verbinden.

Lasst Euch ebenfalls nicht von dem „Sammlerstück“, der „Rarität noch aus den 70ern“ von „…selten zu finden…“ oder „Kenner wissen Bescheid…“  blenden. Das ist meistens nur Gerede und der Versuch, das eigene Gerät zum Maximalpreis zu verkaufen. Dieser Versuch ist nicht verwerflich, jeder Mann und jede Frau möchte für das zu veräußernde Instrument den größtmöglichen Erlös erzielen. Aber der sollte wiederum durch einen größtmöglichen Gegenwert gerechtfertigt sein. Das Gerede bleibt übrig, wenn keine substantiellen Informationen vorhanden sind. Dann lesen wir eben von einer „…hochwertigen…“ Gitarre aus „…edlen Hölzern…“.

Echte „Kenner“ oder „Sammler“ müssen nicht extra auf etwas hingewiesen werden und lassen sich ohnehin nichts vormachen. Diese Leute wissen tatsächlich `Bescheid´ und das, was sie sammeln, lohnt sich auch, gesammelt zu werden! In der Regel gibt es gute Gründe, warum eine Gitarrenmarke oder ein Gitarrenmodell nur in wenigen Stückzahlen überlebt hat (siehe auch: https://stimmtso.org/6-von-sammlerstuecken-vintage-gitarren-und-unterwaesche/ )!

Trotzdem begegnen uns frühe Exemplare deutscher und v.a. japanischer Herkunft nicht ohne Grund immer wieder. Sie waren im Gegensatz zu den amerikanischen Vorbildern erschwinglich! In den 60er & 70er Jahren war die Qualität der Instrumente für die musikbegeisterten Käufer (nicht die Semi- und Profimusiker!) hierzulande eher nebensächlich. Was zählte war der `Spirit´  und der Wunsch, das musikalische Lebensgefühl nach Außen zu tragen. Die Emotionen, die durch die Musik von den Beatles über Leonard Cohen und Cat Stevens bis hin zu America und den Rolling Stones geweckt waren, wollten geteilt und mitgeteilt werden!

Meine erste Westerngitarre – Marke „Klira“, Modell `buntlackierte Sperrholzkiste´ mit dicken Stegschrauben, Neupreis ca. 240,- DM und einem Freund für 120,- DM erspartes Taschengeld abgekauft – fand ihren Weg mit in den ersten Frankreichurlaub und war abends vor dem Zelt ebenso unverzichtbar, wie an Strand und Lagerfeuer. Saiten wurden nur gewechselt, wenn zufällig mal eine brach und der verstellbare Steg blieb, wie immer er auch eingestellt war. Worte wie Qualität oder Klang waren weitgehend unbekannt, aber das Gefühl, eine `echte´ Westerngitarre in der Hand zu halten und „Wild Horses“, „Heart Of Gold“ oder „Horse With No Name“ zu singen und zu spielen, das war grandios!

Entsprechend spielten und spielen die damaligen Hersteller aus BRD & DDR keine bedeutende Rolle in der Welt der akustischen Gitarren, erst recht nicht, wenn es um so etwas wie `Sammlerwert´ geht. So steht denn auch auf der Website von „Vintage guitars“ folgendes: „…Noch weniger populär sind Instrumente der meisten deutschen Hersteller. Eine Framus aus den 50er oder 60er Jahren war schon damals die 2. Wahl für alle, die sich kein amerikanisches Instrument leisten konnten und erreicht, von wenigen Ausnahmen abgesehen, heute mal gerade den inflationsbereinigten Neuwert der damaligen Zeit…“ (http://www.vintage-guitar.de/investieren-vintage-guitars.html)

Der normale Wohnzimmer- und Campingplatz-Gitarrist wusste damals recht wenig Substantielles über das Gerät, dass er oder sie in der Hand hielt, weil es kaum jemand interessierte. Ich kann mich noch gut erinnern, wie sich nicht wenige Gitarrenbesitzer bei dem Versuch, ihre Gitarre zu stimmen, regelrecht `einen abgebrochen´ haben. Andere stimmten sie kurzerhand nach der neuen Gitarrenlernplatte von Pit Budde oder Peter Bursch, und das musste dann für die nächsten Tage reichen.

Aber nicht selten wird in der – mit schönen und geradezu magischen Momenten verbundenen – Erinnerung auch eine Vollaminatgitarre mit verstellbarem Steg aus der japanischen „law suit“-Ära irgendwann zu einem Ausnahmeinstrument. Eine 12-saitige, vollaminierte Hummingbird-Immitation von Kiso Suzuki, mit billigen & offenen Reihenmechaniken, 400(!) Euro VB, enthielt den Hinweis, man werde nur auf „…realistische…“ Angebote reagieren. Realistisch im Sinne eines entsprechenden Gegenwertes wäre es, für diese 400 Euro eine wirklich wertige Gitarre zu kaufen!

Drei weitere Exemplare aus der Klon-in-Laminat-Factory – immer angelehnt an die großen Vorbilder und nach dem gleichen Strickmuster.


 

Mit `gefühlten´ Schätzchen Geld machen …

Und es geht immer noch ein bißchen besser: eine Ibanez Concord 684-6 – ein typischer Hummingbird-Klon der damaligen Zeit mit laminiertem Korpus und ebenfalls verstellbarem Metallapparat – war eines von zwei der bisher … na sagen wir mal … verwegensten Angebote, die mir untergekommen sind.

Mit der Behauptung, das Original (Gibson Hummingbird, von je her in den USA hergestellt, NP. 2600,- bis 3300,-) wäre seiner Meinung und der „…vieler anderer alten Musiker…nach nicht besser, weder von Klang noch von der Bespielbarkeit…“ her, ruft der Besitzer nicht verhandelbare 530,- € auf, für eine vollaminierte Concord 698, ebenfalls ein „…Nachbau…“ (Gibson SJ 200, NP. ab 3000,- aufwärts), bescheidene 770,- € und fügt in seiner Weisheit mal gleich hinzu „…ob das Original besser ist, wer weiß?!…“. Spätestens jetzt ist eines klar, nämlich dass der Verkäufer definitiv nichts weiss, jedenfalls nicht wovon bzw. worüber er sich da auslässt.

Sehr gelungen auch folgender Marketing-Coup: eine vollaminierte Terada war „…  ziemlich lange nicht benutzt worden … Die Saiten sind unvollständig und alt. Hier gehören neue drauf … Ich verkaufe die Gitarre ausdrücklich als Bastlerobjekt! … Der Sound der alten japan Lady ist unvergleichlich. Selbst in diesem Zustand versprüht sie Ausgewogenheit und Brillanz …“. Ein weiteres Angebot war eine schlichte Pro Martin ähnlicher Machart, das “ … kleine japanische Klangwunder erfüllt den Raum mit Ausgewogenheit und Brillanz. Kein Wunder..es ist ja auch die Kopie einer anderen grossen Gitarre. Hier wurden gute Tonhölzer zu einer wirklich guten Gitarre verarbeitet…“. Der erhoffte Wert dieses Phantasiewunders: 420,- €

Gute Witze soll man eigentlich nicht erklären, aber wie passt das zusammen – alte, unvollständige Saiten auf einem ausdrücklichen Bastlerobjekt und unvergleichlicher Sound? In meiner Phantasie versprühen die Saiten in erster Linie Rostpartikel.


Werden gerne mal mit recht verwegenen Preisvorstellungen angeboten: Yamaha FG’s mit dem roten Label. Sie wurden von 1967 bis 1972 in Japan produziert, bis Yamaha sein Werk aus Kostengründen nach Taiwan verlegte. Die meisten Exemplare sind `runtergewirtschaftet und lohnen nicht den Aufwand einer gründlichen Überarbeitung, schon wegen der durchgescheuerten Griffbretter. Wie bei der unten abgebildeten FG 140 wäre ein Abrichten des Griffbrettes incl. Neubundierung angesagt.

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Yamaha FG 140

Von den `Red Labels´ gab es offensichtlich zwei Varianten. Das oben abgebildete wurde in den ersten 6 Monaten der Produktion verwendet. Der „Yamaha Guitar“-Schriftzug war etwas flacher und fetter gedruckt, die Linien darüber und darunter etwas dicker, als bei den nachfolgenden Aufklebern. Den FG-Modellen dieser 5 Jahre werden regelrechte Wunderdinge angedichtet. Letztlich waren bzw. sind sie aber auch nichts Anderes, als vollaminierte Gitarren, die mit ihrem speziellen Jumbo-Korpus (bis heute) etwas breiter waren, als die der Konkurrenz. Die FG 500 von 1969 war anscheinend die erste Yamaha-Dreadnought mit einer massiven Fichtendecke, ab Mitte der 70er wurden komplette Baureihen mit massiven Fichtendecken aufgelegt und die Modelle trugen in ihrer Bezeichnung ein zusätzliches „S“ für solid. Der weitaus größte Teil waren bis in die 80er Jahre hinein vollaminierte Modelle.

Ein aktueller, realistischer Wert für eine FG aus dieser Zeit ergibt sich für mein Dafürhalten aus dem individuellen Sammlerwert und natürlich dem Zustand. Immerhin sind diese Instrumente um die 50 Jahre alt und repräsentieren den Anfang der industriellen Produktion von Westerngitarren, die von Japan aus weltweit in den Import gingen. Hier zählt die Nostalgie, der Klang spielt meines Erachtens keine herausragende Rolle. Ich will gar nicht ausschliessen, dass 40 – 50 Jahre alte, laminierte Westerngitarren bei entsprechender Pflege und regelmäßigem Spielen einen recht ansprechenden Sound entwickelt haben. Aber Vergleiche mit vielfach teureren, oder sogar vollmassiven Gitarren halte ich für ebenso gewagt, wie die generelle und häufig unreflektierte und übertriebene Lobhudelei. Die alten FG’s, die ich bisher in den Händen hatte, hielten dem jedenfalls nicht stand.

Ein schönes Beispiel für solide Realitätsflucht sind auch die Yamahas aus dem Kapitel 2-binsenweisheiten, viertelwissen und geschwätz Die FG 200 wurde mit über 350,- € inseriert, das es sich ja schließlich um eine „…legendäre Gitarre handelt…“, mit „…nur äußerlich(en)…“ Gebrauchsspuren. Ältere Modelle dieses Herstellers werden gerne für die eigene Vermögensbildung herangezogen – nicht selten mit geradezu lächerlichen Preisvorstellungen: eine vollaminierte FG 330, gegen Ende der 70er hergestellt, soll für 499€ gekauft werden; zwei ebenfalls vollaminierte FG 180 mit dem `berühmten´ roten Label und reichlich gebrauchtem Zustand sollen je 570€ bzw. 560€ bringen. Vor allem für die alten Exemplare dieses Herstellers sind nicht wenige Käufer bereit, jede Menge Geld hinzublättern – trotz teilweise recht ramponiertem oder schlicht inakzeptablem Zustand und ohne dass irgendeine Überarbeitung vorgenommen wurde.


 

Noch Fragen…?

Extrembeispiele, aber keine Einzelfälle. Solche und ähnliche Angebote gibt es zu Hauf. Nur weil eine Gitarre vor 30 oder 40 Jahren in einem bestimmten Land oder Ort gefertigt wurde, sie aus einer speziellen Zeit stammt, ein ganz bestimmter Name draufsteht oder alle Kenner, die Ahnung haben, Bescheid wissen, ist der Preis oder ein Kauf noch lange nicht gerechtfertigt. Rockbands, die schon früher kaum ein Mensch kannte, werden Jahre nach ihrem Ableben auch regelmäßig zum Kult erklärt. Wirklich gute Gitarren kosteten schon immer mehr Geld …

Also – gut hinschauen, gut recherchieren, gut überlegen, erst dann gut kaufen!

Stimmt so …

3. Beispiel Epiklon…